ROG, digitalcourage, Journalistenverbände DPV und bdfj kritisieren geplante Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung – Schaden für Zivilgesellschaft! Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Grundrechtecharta!

RichterIn einer Presseerklärung teilt der Presseverband mit: Die Vertreter der großen Parteien planen gemäß Koalitionsvertrag die Wiedereinführung der verdachts- und anlasslosen Datenspeicherung. Die Journalistenverbände DPV und bdfj verurteilen diese Gedankenspiele auf das Schärfste. Angesichts dieser Vereinbarung fordern Kollegenverbände bereits vereinzelt, Journalisten als Berufsgeheimnisträger auszuklammern. Solche Forderungen zeugen jedoch von einer Unkenntnis der Verfahrensweise von DatenspeicherungStopp der Vorratsdatenspeicherung

PresseDenn diese erfasst ungefiltert die Daten aller in Deutschland kommunizierenden Personen einschließlich derer von Ärzten, Juristen, Wissenschaftlern, Politikern und Medienschaffenden. Es ist in dieser Sache gesellschaftlich und technisch grundlegend falsch, reflexartig einen Ausnahmestatus für bestimmte Berufsgruppen zu fordern.

„Irgendwann könnte die verdachtslose Datenspeicherung wie ein Bumerang zu uns zurück kehren“ meint Kerstin Nyst, Pressesprecherin des Journalistenzentrum Deutschland, „und unsere Kinder werden uns fragen: Warum habt Ihr demokratische Grundwerte geopfert, warum habt Ihr uns Verhältnisse à la Georg Orwell beschert?“

Die Politiker der künftigen Koalition setzen sich dem Verdacht der Maskerade aus, wenn sie die Aktionen der NSA affekthaschend kritisieren, gleichzeitig aber die eigenen Geheimdienste mit den Daten unschuldiger Bürger überschwemmen wollen. „Diese Rasenmähermethode birgt zusätzlich die Gefahr, dass die wirkliche Bedrohung durch die eigentlichen Zielgruppen -Schwerkriminelle und Terroristen- im Datenmeer untergeht“ so Kerstin Nyst weiter. Eine Anpassung der Gesetze an die illegale Handhabung der Vergangenheit bedeutet eine Fortsetzung der Politik mit falschen Mitteln. Den Artikel 10 des Grundgesetzes sollten die Volksvertreter, auch aus der geschichtlichen Verantwortung Deutschlands heraus, zur Grundlage ihrer Entscheidung machen.

Die Berufsverbände DPV und bdfj engagieren sich seit Jahrzehnten durch Gremien- und Vorstandsarbeit in befreundeten Organisationen ebenso wie durch Eigeninitiativen für die Meinungs- und Pressefreiheit. Die Webseite bietet Informationen zum Thema.

Das Journalistenzentrum Deutschland wird durch zwei Berufsverbände getragen. Der DPV Deutscher Presse Verband – Verband für Journalisten, gegründet 1989, ist mit ca. 8.000 Mitgliedern die tariffreie Spitzenorganisation der hauptberuflich tätigen Journalisten. Die bdfj Bundesvereinigung der Fachjournalisten wurde 2007 gegründet und ist die Vertretung der zweitberuflich tätigen Journalisten.

Das Journalistenzentrum Deutschland unterstützt auch die Veröffentlichung der Liste „Angriffe auf die Pressefreiheit“ von Reporter ohne Grenzen. Im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in der Vereinigung Reporter ohne Grenzen (ROG) engagieren sich die Berufsverbände DPV und bdfj bei der Veröffentlichung und Verbreitung der neuen Jahresbilanz der „Angriffe auf die Pressefreiheit“, welche jetzt herausgegeben worden ist.

Diese Liste gibt Auskunft darüber, wie viele Journalisten und Blogger 2013 bei ihrer Arbeit getötet, festgenommen oder angegriffen wurden und beschreibt die gefährlichsten Regionen für Berichterstatter weltweit. „Besorgniserregend ist, dass laut Reporter ohne Grenzen zwar die Zahl der getöteten Journalisten leicht gesunken, die Arbeitssituationen für Journalisten in einigen Gebieten der Welt jedoch immer noch äußerst gefährlich ist“, beurteilt Kerstin Nyst, Pressesprecherin des Journalistenzentrum Deutschland, die Statistiken von ROG. Angriffe und Drohungen gegen Journalisten stiegen zum Beispiel um neun Prozent.

Reporter ohne Grenzen sowie die Berufsverbände DPV und bdfj setzen sich aktiv für die globale Bekämpfung von Verstößen gegen die Pressefreiheit ein. Mit Protestschreiben, Veranstaltungen, Aktionen und Ausstellungen wird Aufmerksamkeit bei Politikern und in der Öffentlichkeit geschaffen. In zahlreichen Notfällen leisten die Medienorganisationen auch humanitäre Hilfe. Die vollständige ROG-Jahresbilanz 2013 „Angriffe auf die Pressefreiheit“ finden Sie hier

Auch Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die künftige Regierungskoalition auf, ihre Pläne zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland fallen zu lassen. In einem heute (12. Dezember) veröffentlichten Gutachten empfiehlt der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, die 2006 erlassene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung grundlegend zu überarbeiten, weil sie der EU-Grundrechtecharta widerspreche http://bit.ly/18nsHOP. In den meisten Fällen folgt der EuGH in seinen Urteilen solchen Empfehlungen.

„Dieses Gutachten eröffnet die Chance, der pauschalen und verdachtsunabhängigen Datenspeicherung EU-weit ein Ende zu setzen“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske in Berlin. „Jetzt ist die künftige Koalition am Zug, sich von diesem überflüssigen und für die Pressefreiheit schädlichen Instrument zu verabschieden.“

ROG kritisiert eine generelle Speicherung von Verbindungsdaten seit Jahren als Gefahr für den Informantenschutz und deshalb als abschreckend für potenzielle Hinweisgeber, die für Journalisten unerlässlich beim Aufdecken von Missständen sind. Zugleich ist der Nutzen der Maßnahme überaus fraglich: Netzaktivisten haben aus Daten des Bundeskriminalamts errechnet, dass die Vorratsdatenspeicherung von Verkehrsdaten die durchschnittliche Aufklärungsrate von Straftaten bestenfalls um 0,006 Prozentpunkte erhöht http://bit.ly/JhCris, Seite 31f.

ROG und andere Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen plädieren deshalb seit langem dafür, die Vorratsdatenspeicherung durch ein „System zur schnellen Sicherstellung und gezielten Aufzeichnung von Verkehrsdaten“ in konkreten Verdachtsfällen zu ersetzen Entsprechende Forderungen sind auch Teil der Internationalen Grundsätze für die Anwendung der Menschenrechte in der Kommunikationsüberwachung, die ROG im vergangenen Juli zusammen mit mehr als 260 Organisationen aus aller Welt beim UN-Menschenrechtsrat in Genf vorgelegt hat und als Maßstab für bestehende und künftige Gesetze betrachtet.

Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat heute sein Schlußplädoyer veröffentlicht. Das ist erst ein wichtiger Zwischenstand, aber noch kein Urteil. Das Urteil wird erst im Frühjahr 2014 erwartet. Würde das Gericht dem Generalanwalt folgen und sein Urteil so abfassen, würde die EU-Vorratsdatenwelt so aussehen:

digitalcourage: Die EU-Richtlinie in ihrer derzeitigen Auslegung verstößt gegen die EU-Grundrechtecharta.

– Die  bisherige  Richtlinie macht keinerlei Vorgaben, wie und wo die Daten  zu  speichern und abzusichern sind. Demnach könnten diese Daten auch im Ausland bei unseriösen Rechenzentren mit mangelnder Sicherheit gespeichert  werden.  Dies  hätte große Nachteile für die Privatsphäre der in der EU lebenden Menschen zur Folge.

– Es ist nicht geregelt, in welchen Fällen auf die gespeicherten Daten zugegriffen  werden  darf. Die Angabe „bei schweren Verbrechen“ reicht nicht,  um den Zugriff auf wirklich schwerwiegendes zu beschränken. In Österreich   zum  Beispiel,  wurden  Vorratsdaten  zu  Aufklärung  von Zigarettenschmuggel eingesetzt.

Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte 2010 in seinem Urteil zur deutschen Vorratsdatenspeicherung bemängelt, dass die gespeicherten Daten nicht genug abgesichert waren und die Zugriffe durch Behörden nur unzulänglich definiert waren. Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wurde damals vom Gericht für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Alle bis dahin gesammelten Daten mußten unverzüglich wieder gelöscht werden.

Allerding gibt es die Befürchtung, dass die EU-Politik den gleichen Fehler begehen würde, wie deutsche Überwachungsbefürworter: Sie würden versuchen, das Urteil als „Anleitung“ zu verwenden, um die Überwachung der gesamten Bevölkerung „Grundrechtskonform“ umzusetzen. Denn (leider) wird – was eigentlich richtig wäre – nicht die Überwachung gesamt abgelehnt, sondern nur Speicherdauer, Speicherart, Datensicherheit und Zugriffsbefugnisse bemängelt. Allerdings sind die Sicherheitsstandards vom Bundesverfasusngsgericht so hoch angelegt worden, dass – der Auffassung von Technikern nach – diese Sicherheitsstandards nie zu erfüllen wären.

Der Generalanwalt schreibt aber auch in Absatz 143 seines Plädoyers, dass Vorratsdatenspeicherung als neuer Richtlinie nur zulässig wäre, wenn es kein anderes Mittel gäbe, das mit weniger Grundrechtseingriff eine verhälnismäßigere Problemlösung ermöglichen würde. Hier wäre zum Beispiel „Quick Freeze“ (nicht aber: „Quick Freeze plus“) zu nennen.

Der Kampf gegen die Überwachungspläne ist also weder gewonnen noch verloren. Wir werden mit Ihrer Hilfe, Ihrer Mitarbeit, Ihren Spenden und Mitgliedschaften weiter gegen die Totalüberwachung der EU aller Kommunikationsverbindungen kämpfen. Mehr dazu finden Sie auf den Webseiten

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