Willkommen beim Deutschen Finanzgerichtstag e.V. am 25. Januar 2016 in Köln! Staatsfinanzierung und Entwicklung des Steuerrechts!

KölnForum der Finanzgerichtsbarkeit für die steuerrechtliche und steuerpolitische Fachdiskussion mit Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Anwalt- und Steuerberaterschaft: Gleich zwei „heiße Eisen“ griff der 13. Deutsche Finanzgerichtstag, der am 25. Januar im Kölner Maternushaus stattfand, auf: Zu den Themen „Staatsfinanzierung und Entwicklung des Steuerrechts“ äußerten sich renommierte Referenten aus Politik, Gerichtsbarkeit, Wissenschaft, Institutionen und berufsständischen Vereinigungen. Im Focus standen auch in diesem Jahr aktuelle Reformvorhaben des Gesetzgebers – insbesondere der Erbschaftsteuer und des Verfahrensrechts mit Blick auf die Anforderungen EDV-gestützter Besteuerungsverfahren. Etwa 300 Gäste begrüßte Professor Jürgen Brandt, Richter am Bundesfinanzhof, Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages, zu dem anspruchsvollen „Forum der Finanzgerichtsbarkeit für die steuerrechtliche und steuerpolitische Fachdiskussion mit Verwaltung, Politik, Anwaltschaft und Steuerberaterschaft“. Der Gastgeber hob in seiner Eröffnungsansprache die Relevanz des Themas Staatsfinanzierung angesichts der Flüchtlingsproblematik hervor, die finanziell nur über Steuereinnahmen gelöst werden könne. Als Beleg für die nach wie vor nicht überwundene Finanzkrise führte er den Ankauf von monatlich 60 Mrd. pr cologne

NRW-Justizminister Max Malsch
NRW-Justizminister Max Malsch

Euro Staatsanleihen und anderen Wertpapieren aus den Euroländern durch die Europäische Zentralbank bis Ende September 2016 an. Die Entwicklung des Steuerrechts im vergangenen Jahr, so Professor Brandt, war im Wesentlichen durch das Steueränderungsgesetz bestimmt. Zu den wichtigsten Reformvorhaben im Jahre 2016 gehöre die Erbschaftsteuer; der vorliegende Gesetzentwurf sei von den meisten Sachverständigen in der Anhörung des Finanzausschusses als verfassungswidrig eingestuft worden. Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Thomas Kutschaty, hob in seinem Grußwort hervor, dass der Deutsche Finanzgerichtstag durch die Auswahl zukunftsorientierter Themen einen „fruchtbaren Austausch zwischen den am Besteuerungsverfahren beteiligten Berufsgruppen“ gewährleiste. Er sei zu einem „Aushängeschild nicht nur für die Finanzgerichtsbarkeit, sondern für die gesamte Justiz, „zu einem jährlichen Pflichttermin“ geworden. NRW Justizminister Max Malsch und seine Rede!

Nicht selten sei das Bundeverfassungsgericht der Einschätzung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs gefolgt, wie der Minister am Beispiel der Erbschaftsteuer verdeutlichte. Die Finanzgerichte gewährten hier einen „effektive und zeitnahen Steuerrechtsschutz“ – zunehmend auch europaweit. Die Entwicklung des Steuerrechts, wie sie sich im Gesetz der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens abzeichne, berge für die Finanzbehörden eine besondere Verantwortung: die Wahrung des Steuergeheimnisses und des Datenschutzes. Der Präsident des Bundesfinanzhofs (BFH), Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff, betonte in seinem Grußwort, dass der Finanzgerichtstag sich mit dem diesjährigen Thema dem eigentlichen Zweck des Steuerrechts widme, Steuereinnahmen zu generieren. Diese steigen seit Jahren und erreichen immer neuen Höchststände. Auf der anderen Seite stehe der Staat vor enormen Herausforderungen: Flüchtlingskrise, Griechenland und die Veralterung der Gesellschaft. Der Finanzgerichtsbarkeit komme die wichtige Aufgabe zu, durch
eine verlässliche Rechtsprechung den Ausgleich zwischen den Interessen der ´Bürger und des Staates zu treffen.

Diese wichtige Funktion könne sie allerdings nur bei ausreichender personeller Besetzung erfüllen, die aktuell nicht überall gewährleistet sei. So seien die Präsidentenstellen an einigen Finanzgerichten schon seit mehreren Jahren nicht besetzt, was zu Engpässen führe. Auch sei es nicht hinzunehmen, dass Führungspositionen an den Finanzgerichten mit Verfahrensrechtlern besetzt würden, die nicht über die notwendige Kompetenz und Erfahrung im Steuerrecht verfügten. In der nicht zeitnahen Besetzung dieser wichtigen Positionen komme eine Missachtung der Justiz zum Ausdruck. Dabei gehöre es „zu den vornehmsten Aufgaben der Justizminister“, deren Funktionsfähigkeit in allen Bereichen sicherzustellen. Es stelle sich daher die Frage, ob das Richterrecht geändert werden müsse, um sicherzustellen, dass Nachfolger rechtzeitig benannt werden. Eventuell sollte der Vorgänger erst dann ausscheiden, wenn ein Nachfolger gefunden wurde.

Der Präsident des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. (DStV), StB/WP Harald Elster, richtete den Blick auf die derzeitige Entwicklung des Steuerrechts: Er begrüßte ausdrücklich den eingeschlagenen Weg, mehr Effizienz durch Modernisierung zu erreichen. Diese dürfe jedoch nicht einseitig zu Lasten des Steuerzahlers und seiner Berater ausfallen. Der Steuerberater müsse aktuell nicht mehr fürchten, wegen „Ungeeignetheit“ vom Richter zurückgewiesen zu werden. Auch könne er „als Datenübermittler“ nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn er die Steuerklärung dem Mandanten vor der Abgabe nicht noch einmal zur Unterschrift vorgelegt habe.

Die Modernisierung des Besteuerungsverfahrens: Der 13. Deutsche Finanzgerichtstag hat am 25. Januar 2016 in Köln den aktuellen Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“ diskutiert. Mit dem Gesetz werden die rechtlichen Grundlagen für die Steuerfestsetzung durch „vollautomatisch erstellte Steuerbescheide“ geschaffen. Die Referentin, Richterin am Finanzgericht Dr. Sina Baldauf, betont in ihrem Referat die Gefahr, dass Schutzmechanismen des Verfahrensrechts wie die Einzelfallprüfung einer Steuererklärung durch die elektronische Übermittlung der Steuererklärungen mit anschließender maschineller Veranlagung eliminiert werden. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Umsetzung des Reformvorhabens in Teilbereichen erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken begegnet. Der Gesetzesentwurf eröffne dem Bürger zwar nach wie vor die Möglichkeit, dem Finanzamt mit der Steuererklärung auch nicht automatisch abgefragte Sachverhalte zu übermitteln. Der Gesetzesentwurf stelle – so Baldauf – jedoch nicht ausreichend sicher, dass  der Steuerfall bei individuellen Angaben des Steuerpflichtigen noch individuell durch einen Sachbearbeiter geprüft werde. Die Gefahr, dass bei der Veranlagung nicht der gesamte in  der Steuererklärung übermittelte Sachverhalt berücksichtigt werde, werde noch weiter als  bisher auf den Steuerpflichtigen verlagert. Gleiches gelte, wenn durch Dritte – Arbeitgeber,
Banken, Rentenversicherungsträger – elektronisch an die Finanzverwaltung übermittelte Besteuerungsgrundlagen von eigenen Angaben des Steuerpflichtigen abwichen. Der Gesetzesentwurf gewährleiste gegenwärtig nicht, dass das Finanzamt bei widersprüchlichen Angaben die zutreffenden Beträge individuell ermitteln müsse.

Kritisch sieht Baldauf auch die Festlegung der Parameter, nach denen eine elektronisch übermittelte Steuererklärung von der Software der Finanzverwaltung als risikoreich herausgefiltert und zur individuellen Prüfung weitergeleitet wird. Die Ausgestaltung des elektronischen Risikomanagementsystems dürfe nicht der Finanzverwaltung allein überlassen bleiben. Beispielhaft erörterte sie die Frage, ob die Steuererklärung eines Steuerpflichtigen allein deshalb vom System als „Risikoerklärung“ eingestuft werden dürfe, weil sie von einem Berater erstellt worden sei, den die Finanzverwaltung als ungeeignet oder nicht steuerehrlich einstufe. Erforderlich sei laut Baldauf eine gesetzliche Vorgabe, dass Risikomanagementsysteme der Finanzverwaltung nur Filterkriterien heranziehen dürfen, die das Risiko einer rechtswidrigen Steuerfestsetzung minimieren.

Erbschaftsteuerreform unter Beachtung verfassungsgerichtlicher Vorgaben – Jetzt! Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 über die Verfassungswidrigkeit des geltenden Erbschaftsteuerrechts mit konkreten Vorgaben für eine verfassungskonforme Neugestaltung bis zum 30.06.2016 hat der Gesetzgeber bislang eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Neufassung nicht vornehmen können. Dabei hat das Gericht die Interessen der Wirtschaft an weitgehender Verschonung vererbtem Betriebsvermögens von der Erbschaftsteuer (bis zu 100 Prozent bei Unternehmensfortführung) „zum Schutz nachhaltiger Unternehmensnachfolge mit Blick auf die Bedeutung der klein- und mittelständisch geprägten Unternehmenslandschaft“ schon weitgehend für schützenswert erachtet.

Unverrückbare Grenze für diese Privilegierung ist aber – so das Gericht – bei größeren Unternehmen die unverzichtbare Prüfung, ob die Erbschaftsteuerverschonung für den Erhalt des Unternehmens geboten ist. Wird nämlich die Unternehmensfortführung auch bei großzügiger typisierender Betrachtung wirtschaftlich nicht als durch die Erbschaftsteuerlast des Erben gefährdet, verstößt eine Erbschaftsteuerverschonung vererbten Betriebsvermögens gegenüber voll der Erbschaftsteuer unterliegenden vererbten Privatvermögen gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot.

Diesen Vorgaben hatte das sog. Eckpunktepapier des Bundesfinanzministeriums (BMF) zu Beginn des letzten Jahres unter anderem mit einer Bedürfnisprüfung für größere Unternehmen ab einem Unternehmenswert von 20 Mio. Euro je erwerbendem Erbe – nach dem Urteil vieler sehr unternehmensfreundlich, aber noch verfassungskonform – Rechnung getragen. Davon abweichend hat der Gesetzgeber im Lichte nachhaltiger Interventionen großer Familienunternehmen und ihrer Verbände einen Gesetzentwurf in die parlamentarischen Beratungen eingebracht, der in der Anhörung des Finanzausschusses im vergangenen Oktober von den meisten Sachverständigen als verfassungswidrig angesehen wurde und deshalb vom Finanzausschuss noch nicht abschließend beraten werden konnte. Die Bedenken betreffen insbesondere die Verschonungsbedarfsprüfung. Sie ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei Erwerb großer Vermögen für die Erbschaftsteuerverschonung verfassungsrechtlich (zwingend) geboten. Gleichwohl soll sie nach dem Gesetzentwurf durch die Ausübung eines Wahlrechts auf einen Verschonungsabschlag vermeidbar sein (85 Prozent bei einer Haltefrist von fünf Jahren beziehungsweise 100 Prozent bei einer Haltefrist von sieben Jahren mit schrittweiser Absenkung bei Vermögen über 26 Mio. Euro bis zu einem einheitlichen Verschonungsabschlag von 20 Prozent bei einer Haltedauer von fünf Jahren – bei sieben Jahren 35 Prozent – ab Vermögen von 116 Mio. Euro) und ermöglicht damit gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch für sehr große Betriebsvermögen eine Erbschaftsteuerverschonung selbst bei fehlendem Verschonungsbedürfnis.

Davon sollte deshalb zur Vermeidung eines erneuten Verfassungsstreitverfahrens ebenso abgesehen werden wie von dem Versuch, das zu privilegierende Betriebsvermögen von demvoll der Erbschaftsteuer unterliegendem anderweitigen Vermögen abweichend vom bisherigen
Recht positiv als „seinem Hauptzweck nach überwiegend einer originär land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dienendes Vermögen“ zu definieren. Denn damit werden vermeidbar Gestaltungen zur verdeckten Einbeziehung nicht privilegierten Vermögens in die Erbschaftsteuerverschonung mit der Folge einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten provoziert, die das gegenwärtige Erbschaftsteuerrecht nicht veranlasst. Vor diesem Hintergrund erwartet der Deutsche Finanzgerichtstag eine baldmögliche Entscheidung des Gesetzgebers über die Erbschaftsteuerreform unter Anlehnung an das Eckpunktepapier und unter Berücksichtigung der in der Sachverständigenanhörung vorgetragenen Einwendungen im Interesse auch der Planungssicherheit für die Steuerpflichtigen.

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