Proteste lassen sich nicht verbieten! Solidarität mit Katalonien – für das Recht auf friedliche Selbstbestimmung! Diktatur oder Freiheit» — Spanien droht Katalonien mit erneuter Diktatur, Katalonien mobilisiert sich.

(AFP)

Hunderttausende Katalanen demonstrieren für Unabhängigkeit: Am Dienstag, (11.9.18),  haben Hunderttausende Menschen in der katalanischen Mittelmeermetropole Barcelona am katalanischen Nationalfeiertag, der Diada, für die Loslösung ihrer Region von Spanien protestiert. Nach ersten Schätzungen der Lokalpolizei Guardia Urbana füllten rund eine Million Personen die über sechs Kilometer lange Hauptverkehrsader Avenida Diagonal zwischen dem Glories-Platz und dem Palau Reial. Abgesehen von kleineren Ausschreitungen linksradikaler Gruppen gegen Polizeieinheiten verlief die Demonstration größtenteils friedlich und in Feststimmung. Es gab Konzerte und „Menschentürme“, sogenannte Castells, die auf allen katalanischen Volksfesten Tradition sind.

Spanischer Außenminister verwickelt sich in BBC-Interview in Widersprüche: Die BBC hat in englischer Sprache ein Interview mit dem spanischen Außenminister Josep Borell veröffentlicht, worin dieser Katalonien als Nation anerkennt — er ist selbst ein Katalane —, aber gleichzeitig die Auffassung vertritt, daß der katalanischen Nation von Spanien das Menschenrecht auf Selbstbestimmung verweigert werden dürfe, da es sich aus spanischer Sicht nicht um eine «Selbstbestimmung» Kataloniens, sondern um eine «Sezession» von Spanien handele. Bereits am 15. Juli 2018 hatte er anläßlich der Abschiedsveranstaltung der Sommerschule der ideologisch rechtsextremen «Societat Civil Catalana» bestritten, daß das Menschenrecht der Völker auf Selbstbestimmung international anerkannt sei. Der als rechter Hardliner bekannte spanische Außenminister spricht gerne davon, daß Spanien seine «Wunde» in Katalonien desinfizieren müsse und daß die Katalanen froh sein könnten, daß Spanien nicht so wie zur Franco-Zeit auf ihr Streben nach Souveränität reagiere. BBC Hardtalk 11/9/2018 Josep Borrell

In dem Interview betont der spanische Außenminister, daß er die politischen Gefangenen lieber in Freiheit sehen würde, verweist aber auf die angebliche Unabhängigkeit der spanischen Justiz. Ob man ihm dieses Märchen außerhalb Spaniens noch glauben wird?

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Prof. Dr. Axel Schönberger Deutschland: Erneut hat Spaniens sozialistischer Präsident Pedro Sánchez in einem Radio-Interview Katalonien gedroht, die verfassungswidrige Anwendung des Artikels 155 ein weiteres Mal in die Wege zu leiten und Katalonien unter diktatorische Zwangsverwaltung zu stellen. Auch die von ihm geführte sozialistische Regierung will dem katalanischen Volk das von den beiden großen Menschenrechtspakten der Vereinten Nationen und der spanischen Verfassung garantierte Menschenrecht auf Selbstbestimmung verweigern und lediglich Änderungen des Autonomiestatuts von Katalonien zulassen. Die Rede des exekutiven katalanischen Präsidenten kann hier im Original angehört werden.

Von einem «Dialog» kann, was Spanien angeht, insofern wohl kaum die Rede sein. Vielmehr scheint Spanien offenbar auch weiterhin nach dem Motto «Und willst Du nicht mein Sklave sein, so schlag’ ich Dir den Schädel ein» verfahren zu wollen. Die derzeitige sozialistische Minderheitsregierung kann sich bezüglich ihrer Position zu Katalonien keineswegs auf die spanische Verfassung, sondern bestenfalls auf den Geist des Massenmörders Francisco Franco berufen. Die verfassungswidrige Entmachtung der demokratisch und verfassungsgemäß gewählten katalanischen Regierung und die Auflösung des katalanischen Parlaments im Oktober 2017 konnte jedenfalls nicht auf Artikel 155 der spanischen Verfassung gestützt werden, dessen Voraussetzungen im übrigen noch nicht einmal gegeben waren, und dürfte gemäß dem spanischen Strafgesetzbuch eine schwere Straftat dargestellt haben, die freilich von der parteiischen Justiz des postdemokratischen Spaniens bislang noch nicht verfolgt wird. Wie im Falle Ruandas oder des früheren Jugoslawiens wird es wohl eines internationalen Tribunals der Vereinten Nationen bedürfen, um über Mariano Rajoy, Soraya Sáenz de Santamaría und andere für die verfassungswidrigen und ungesetzlichen Maßnahmen und Gewaltexzesse des spanischen Staates im Katalonienkonflikt Verantwortliche zu richten.

Der exekutive katalanische Präsident Quim Torra hat am 4. September 2018 klar und unmißverständlich die Haltung der gewählten Regierung des Volks von Katalonien zum Ausdruck gebracht, wobei seine Rede zwischen den beiden Regierungsparteien abgestimmt war. Er rief die spanische Regierung öffentlich zu Verhandlungen über ein neues Referendum über die Selbstbestimmung Kataloniens auf. Des weiteren rief er das katalanische Volk auf, für die Rechte und Freiheiten der politischen Gefangenen auf die Straße zu gehen, über die der spanisches und internationales Recht beugende Richter Pablo Llarena vom Obersten Gerichtshof Spaniens demnächst urteilen wird, wobei er bereits zu erkennen gab, daß er sie für schuldig hält. (Der Termin einer Privatklage, die gegen den Kritokraten Pablo Llarena vor einem belgischen Gericht eingereicht wurde, wurde um einige Wochen verschoben; die Kosten für den privaten Prozeß des spanischen Richters in Belgien übernimmt die sozialistische Regierung in Madrid, die offenbar bereits 540.000 Euro für die von Pablo Llarena ausgewählte Anwaltssozietät zugesagt hat. Nach spanischem Recht müßte Pablo Llarena alleine aufgrund dieses gegen ihn geführten Prozesses die Verfahren gegen die politischen Gefangenen abgeben. Dies wird er wohl nicht tun, da er als Vertrauter der ehemaligen spanischen Vizepräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría wohl am ehesten eine gesetzwidrige Verurteilung — unter Übergehung der nach spanischem Recht an sich vorgesehenen ersten Instanz in Barcelona — zusammenfabulieren wird.)

Der exekutive Präsident der Generalitat de Catalunya unterteilte seine Rede in fünf Abschnitte: Wo sind wir? — Wie sind wir bis zu diesem Punkt gekommen? — Was nun? — Unsere Möglichkeiten — Wie wir uns durchsetzen werden.

Der Präsident stellte zunächst fest, daß die Unabhängigkeitsbewegung keinen Schritt rückwärts gemacht und auf nichts verzichtet habe. Trotz des Versuchs, das Projekt der Unabhängigkeit Kataloniens zu zerstören, habe das katalanische Volk Widerstand geleistet und sich nicht einschüchtern lassen. Ausgangspunkt der Regierung und des Volks von Katalonien sei die Volksabstimmung vom 1. Oktober 2017, die große Demonstration vom 3. Oktober 2017 und die Proklamation der Unabhängigkeit Kataloniens vom 27. Oktober 2017. Es gebe einen mehrheitlichen Konsens zu drei Punkten: dem Referendum, der Ablehnung der Unterdrückung durch Spanien und zur Errichtung der Republik. Seine Rede stellte er — in Anspielung auf einen Ausspruch des legitimen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont, «Referendum oder Referendum», unter das Motto «Freiheit oder Freiheit».

Quim Torra rief die Katalanen am 4. September 2018 auf, für die bürgerlichen, sozialen und nationalen Rechte der Katalanen mobil zu machen und sich als Volk eine eigene Verfassung zu geben. Die Volksabstimmung über die Frage der Unabhängigkeit und der Errichtung der katalanischen Republik sei bereits durchgeführt worden. Er spreche nicht davon, etwas zu wiederholen, was bereits getan worden sei. Er schlage vor, die Dynamik der Massenbewegung wiederaufzunehmen, die zu dem Erfolg vom 1. Oktober 2017 und zur Verteidigung der bürgerlichen und politischen Rechte gegen die Unterdrückung am 3. Oktober 2017 geführt habe .

Die Volksabstimmung über die Art der Ausübung der Selbstbestimmung Kataloniens sei bereits durchgeführt worden. Er spreche nicht davon, Dinge zu wiederholen, die bereits getan seien. Er schlage vor, die Dynamik der demokratischen Massenbewegung wieder aufzunehmen, die zum Erfolg des 1. Oktobers 2017 und am 3. Oktober 2017 zur Verteidigung der bürgerlichen und politischen Rechte gegen die Unterdrückung auf den Straßen geführt habe. Vom 5. September 2018 bis zur Verkündung der Urteile in den Strafprozessen gegen die politischen Gefangenen müsse das katalanische Volk nunmehr mobil machen. Er werde es keinesfalls hinnehmen, daß die Gerichte die Führer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilten, und werde die Antwort darauf in den Händen des Parlaments lassen. Er könne und werde kein anderes Urteil als einen Freispruch akzeptieren. Wörtlich sagte er — und dies ist wohl als Ankündigung zu verstehen, die politischen Gefangenen nötigenfalls unter Mißachtung der spanischen Justiz aus ihren Gefängnissen zu befreien — folgenden Satz, der wohl das Ende des bisherigen Verhaltens des katalanischen Volkes, sich das ihm von Spanien zugefügte Unrecht widerstandslos gefallen zu lassen, markiert und den nunmehr beginnenden faktischen Bruch mit dem spanischen Staat ankündigt:

«Falls der Fall einträte, daß das Urteil nicht auf Freispruch der Angeklagten lautete, werde ich prüfen, welche Entscheidungen getroffen werden müssen, und werde mich dem katalanischen Volk durch dessen gesetzmäßige Vertreter im Parlament zur Verfügung stellen.»

Weiterhin bot der exekutive Präsident Kataloniens der Regierung Spaniens einen Dialog an, sofern dieser gemeinsam und beidseitig erfolge, um über eine Lösung des Konflikts zu verhandeln und eine solche auch zu finden, wobei Katalonien nicht bereit sei, auf sein Menschenrecht auf Selbstbestimmung zu verzichten.

«Wir werden weiterhin jedermann zuhören, aber wir werden nie auf unser Recht auf Selbstbestimmung verzichten.»

In einem auf spanisch gehaltenen Teil seiner Rede wandte er sich an die Spanier und die Einrichtungen des spanischen Staates und hob dessen derzeitige außerordentlich schwere institutionelle Krise hervor.

Er beendete seine Rede mit folgenden Worten: In den letzten Jahren haben wir ein Volk die Sache der Freiheit umarmen gesehen, mit leuchtenden Augen und kraftvollem Arm, wie es unser Freund Jordi Sánchez gerne sagt, der davon überzeugt ist, daß der Aufbau eines Landes, seines Landes, nur bewerkstelligt werden kann, wenn man die Ketten zersägt, mit dem Willen zu sein, dem Ruf der Modernität und einer bestimmten, in europäischen Begriffen verstandenen, zivilisierten Vorstellung, in der Welt zu sein. Wir haben einfach ein gewöhnliches Volk gesehen, das normal sein will. Wir haben unser Recht auf Selbstbestimmung ausgeübt; wir werden uns jetzt die Verpflichtung auferlegen, es zu verwirklichen. Mit jeglicher Hoffnung. Mit jeglichem Mut, aber auch gelassen und heiter, überlegt, weil wir wissen, daß wir auf der richtige Seite der Geschichte stehen. Als Nelson Mandela im Gefängnis war, schrieb er in einem Brief:

‘Die Ehrerbietungen gehören denjenigen, die nie die Wahrheit verleugnen, nicht einmal, wenn alles dunkel und finster erscheint, die es ein ums andere Mal versuchen, die sich weder durch Beleidigungen noch durch Erniedrigungen und noch nicht einmal durch Niederlagen entmutigen lassen.’

Verwurzelt in dieser Wahrheit wollen wir unseren Marsch aufnehmen. Es ist unser Augenblick. Wir haben bereits den tiefen Sinn der mythischen Worte vom Frieden und der Freiheit entdeckt. Laßt uns die Republik für jedermann siegreich errichten. Und laßt sie uns verteidigen. Für die bürgerlichen, sozialen und nationalen Rechte unseres Landes, für das Leben und für Katalonien.»

Es ist offensichtlich, daß die katalanische Regierung bereits genaue Vorstellungen über das weitere Vorgehen hat, die in dieser Rede indes noch nicht konkret geäußert wurden. Es wird wohl insbesondere mit einer Herausforderung des spanischen Staates durch eine vom katalanischen Parlament autorisierte Befreiung der politischen Gefangenen zu rechnen sein. Die gewählten Formulierungen deuten darauf hin, daß im Falle einer erneuten verfassungswidrigen Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung mit energischem Widerstand des katalanischen Volkes zu rechnen sein wird. Quim Torra sagte wörtlich, daß die Zeit der Drohungen und der Furcht in Katalonien zu ende sei.

Man kann nur inständig hoffen, daß es nun nicht doch zu der Gewaltanwendung und zu dem Militäreinsatz kommen möge, den die vorherige spanische Regierung offenbar für den Fall katalanischen Widerstands vorbereitet hatte. Spanien hat kein Recht, gegen das friedfertige Volk Kataloniens mit polizeilicher oder militärischer Gewalt vorzugehen!

Am Ende der Rede des exekutiven Präsidenten der Generalitat de Catalunya skandierten die Anwesenden «Llibertat! Llibertat!» (‘Freiheit! Freiheit!’), einen Ruf, den man in Katalonien seit Monaten vielerorts hört, und sangen die katalanische Nationalhymne.

Wie lange wird Europa noch zusehen, wie einer seiner Mitgliedsstaaten Millionen von Unionsbürgern die Ausübung ihrer Menschenrechte verweigert und einschränkt? Wie lange wird sich Europa noch dem Ruf nach Freiheit verweigern und seine eigenen Ideale und Werte dabei verraten? Wie lange wird Europa noch schweigen und wegsehen? Die Schande Spaniens wird zunehmend auch zur Schande einer Europäischen Union, die ihre Bürgerinnen und Bürger in Katalonien schmählich verrät.

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