Proteste lassen sich nicht verbieten! Solidarität mit Katalonien – für das Recht auf friedliche Selbstbestimmung! Spanien ist anders!

Prof. Dr. Axel Schönberger: In Spanien, auch in Deutschland, wo Unrecht zu Recht wird … Abhängige und befangene Richter an Spaniens und Deutschlands höchsten Gerichten. Katalanische Politiker, gegen die die spanische Justiz derzeit mit Vorwürfen ermittelt, deren Tatsächlichkeit von Gerichten vier anderer europäischer Staaten bestritten wurde, wurden in einem offiziellen e-mail-Kanal des spanischen Verfassungsorgans «Consejo Oficial del Poder Judicial» in unerträglicher Weise verspottet, verhöhnt und verhetzt, ja sie wurden sogar von spanischen Richtern in deren interner Kommunikation als «Viren», «Hurensöhne», «Extremisten» und «Nazis» diffamiert.

Die meisten spanischen Richter dürften diese Nachrichten stillschweigend mitgelesen haben. In Ländern mit einer funktionierender Rechtsstaatlichkeit gälte jeder der Schmierfinken, die solche Sudeleien von sich gegeben haben, und jeder der Richter, die derartige Kommentare über einen längeren Zeitraum gelesen haben, als befangen und dürfte nicht über die so Geschmähten und Beleidigten zu Gericht sitzen.

Aber Spanien ist anders. Dort dürfen Richter sich so verhalten, ohne daß dies zur Sorge der Befangenheit führt. Ja, es wird von ihnen ja geradezu Befangenheit auch in anderen Dingen erwartet, wie Ignacio Cosidó Gutiérrez, Sprecher der Fraktion der in Teilen dem Rechtsextremismus zuneigenden Fraktion des Partido Popular im spanischen Senat, erst im Dezember 2018 wieder einmal öffentlich äußerte, indem er die Erwartung verschriftlichte, daß der Partido Popular durch die beabsichtigte Ernennung von Manuel Marchena zum Vorsitzenden des «Consejo Oficial del Poder Judicial» Einfluß auf Korruptionsprozesse gegen Politiker des Partido Popular nehmen könne.

Auch wenn es in diesem Fall dann aufgrund eben dieser Verschriftlichung einer seit Jahren gängigen Praxis nicht zu der beabsichtigten Ernennung kam, ist die Verflechtung zwischen Politik und Justiz in Spanien sattsam bekannt. Die Greco, eine Unterorganisation des Europa-Rates, kritisiert seit langem die Mißstände in der spanischen Justiz und verlangt, wenigstens die Hälfte der Richter nach fachlichen Gesichtspunkten durch ihre Kollegen ernennen zu lassen, da die spanische Praxis, Richter in einem permanenten politischen Kuhhandel zwischen dem Partido Popular und den Sozialisten nicht aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation, sondern aufgrund von Beziehungen und politischen Verpflichtungen zu ernennen, das Funktionieren einer Rechtsstaatlichkeit unterminiere.

Dasjenige spanische Gericht, dessen richterliche Unabhängigkeit und Fachkompetenz am meisten in Zweifel zu ziehen ist, ist bekanntlich das spanische Verfassungsgericht, dessen zwölf Mitglieder noch nicht einmal Richter sein müssen. Die Regierung ernennt zwei von ihnen, Parlament und Senat je vier. Nur zwei der zwölf Richter dürfen vom obersten Richtergremium — und dies in der Regel auch nicht nach fachlicher Qualifikation — ausgewählt werden. Daß das spanische Verfassungsgericht seit Jahren so entscheidet, wie es der Partido Popular politisch vorgab, und reihenweise Beschlüsse faßte, die deutlich gegen die Interessen der katalanischen Nation gerichtet waren, verwundert vor diesem Hintergrund nicht. Ohne die parteiische Rechtsprechung des spanischen Verfassungsgerichtes wäre die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien, die derzeit eine deutliche Mehrheit hat, gar nicht erst so groß geworden. Daß das spanische Verfassungsgericht darüber hinaus in Spanien auch faktische legislative und exekutive Gewalt hat, das Prinzip der Gewaltenteilung somit hinsichtlich dieses keineswegs fachlich legitimierten höchsten Gerichts aufgehoben ist, ist ein unerträglicher Zustand, der die rechtliche Rückständigkeit Spaniens gegenüber zivilisierten, rechtstaatlichen Demokratien Europas deutlich veranschaulicht.

Auch die zwanzig Richterposten des spanischen «Generalrats der Justiz» werden gemäß einem alten Kuhhandel zwischen Sozialisten und spanischer Volkspartei vergeben. Daß der vom Partido Popular als neuer Vorsitzender dieses Verfassungsorgans präferierte Manuel Marchena seine Ernennung nunmehr ablehnte, nachdem die unvorsichtigerweise verschriftlichte, seine geplante Ernennung betreffende Notiz des Sprechers der Fraktion des Partido Popular öffentlich bekannt geworden war, gibt ihm dafür Gelegenheit, über den katalanischen Vizepräsidenten, Dr. Oriol Junqueras, und weitere wegen herbeiphantasierter «Straftaten» angeklagte, ihrer parlamentarischen Immunität unter Bruch der spanischen Verfassung beraubte katalanische Politiker zu richten. Sicherlich wird man davon ausgehen dürfen, daß er (und seine Kollegen im Amt) auch in dieser Angelegenheit seine richterliche Abhängigkeit von dem Partido Popular in von diesem erwarteter Weise unter Beweis stellen wird.

Ja, Spanien ist anders. Deswegen haben führende Vertreter der Europäischen Union erst kürzlich einen Splitter im Auge der polnischen Justiz kritisiert, den Doppelbalken in dem der spanischen Richter aber geflissentlich übersehen. In jedem anderen europäischen Staat müßten Manuel Marchena und andere Richter, die über die zu Unrecht inhaftierten und widerrechtlich abgesetzten katalanischen Politiker zu Gericht zu sitzen belieben, wegen Befangenheit von einem solchen Verfahren zurücktreten. In anderen europäischen Staaten gäbe es derartige kafkaeske Verfahren erst gar nicht. Aber Spanien ist anders. Es ist eben weder ein Rechtsstaat noch eine wahrhafte Demokratie, sondern ein nach wie vor im Franquismus wurzelnder Staat, der sich lediglich einen pseudodemokratischen Anstrich zu geben versucht. Im Gegensatz zu der teils tendenziösen, teils unwahren Berichterstattung über die Katalonien-Krise etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die sich diesbezüglich mittlerweile den Vorwurf gefallen lassen muß, eine «Unwahrheitspresseberichterstattung» gegen die Richtlinien des deutschen Pressekodex vorzunehmen —, berichtet beispielsweise die Neue Zürcher Zeitung objektiv und neutral über die fragwürdigen Zustände in der spanischen Justiz.

Jeder Jurist, der das spanische Strafgesetzbuch und die spanische Strafprozeßordnung sowie die gegen die katalanischen Politiker erhobene Anklage wegen «Rebellion» kennt und den tatsächlichen Ablauf des Geschehens im Blick hat, wird sich mit Grausen an die Rechtsprechung im Dritten Reich sowie im franquistischen Spanien erinnern. Kein Jurist, der auch nur einen Funken an Anstand und Ehre hat, wird das politisch gewollte Strafverfahren gegen die katalanischen Politiker und führenden Vertreter der katalanischen Zivilgesellschaft öffentlich als juristisch korrekt und gerechtfertigt bezeichnen. Jeder Richter, der katalanische Politiker wegen des ungerechtfertigten Vorwurfs von Taten, die sie nie begangen haben, zu langjährigen Haftstrafen verurteilen sollte, mag sich an Nürnberg und Tokyo erinnern und wird sich hoffentlich dereinst selbst vor einem Internationalen Gericht für seine menschenrechtswidrige Rechtsbeugung verantworten müssen.

Spanien ist anders. Anders als die übrigen Länder der Europäischen Union. Es schert sich nicht um die Menschenrechte und seine eigene Rechtsordnung, es brach im Oktober 2017 (und danach) verfassungserweiterndes spanisches Recht, indem es unter nicht ausreichender Berufung auf Artikel 155 der spanischen Verfassung, der keine Legitimation für das damalige Vorgehen des spanischen Senats und der spanischen Regierung darstellte, eine demokratisch gewählte Regierung rechtswidrig absetzte und ein demokratisch gewähltes Parlament verfassungwidrig auflöste. Spanien ist anders. Und Europa schweigt und stimmt zu!

Prof. Dr. Axel Schönberger: In Spanien, wo derzeit Unrecht zu Recht wird, gelten für Katalanen (und Basken) weder die durch die Internationalen Pakte über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) und wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) garantierten Menschenrechte noch die Europäische Menschenrechtskonvention, obwohl der postdemokratische spanische Staat an sich verpflichtet wäre, insbesondere die beiden Pakte der Vereinten Nationen als zwingendes Recht und Teil seiner eigenen Rechtsordnung durchzusetzen. Doch in Spanien gehen die Uhren eben anders. Spanien ist, wie die Katalonienkrise in aller Deutlichkeit zeigt, weder ein funktionierender Rechtsstaat noch eine wahrhafte Demokratie, sondern ein nach wie vor von seiner unbewältigten franquistischen Vergangenheit geprägter, zudem hochgradig korrupter Staat mit einer in Teilen außer Rand und Band geratenen, sich willkürlich über spanisches Recht, spanisches Verfassungsrecht, zwingendes internationales Recht und die spanische Strafprozeßordnung hinwegsetzenden Justiz, die ihren wahren Charakter bereits gezeigt hat, bevor die politisierten Schauprozesse gegen die wesentlicher Menschenrechte beraubten, vom spanischen Staat inhaftierten, verfassungsgemäß demokratisch gewählten und dennoch diktatorisch abgesetzten katalanischen Politiker in Bälde beginnen.

Die Prozesse gegen prominente Politiker und führende Vertreter der katalanischen Zivilgesellschaft sind aber nur die Spitze des Eisberges. Die spanische Staatsanwaltschaft und Justiz gehen gegen eine mindestens vierstellige Zahl von Betroffenen in einer Art und Weise vor, die neutrale und sachkundige Beobachter in zivilisierten Ländern wohl nur als ungerechtfertigt, maßlos und geradezu «barbarisch» bewerten können. Ein Land, dessen Justiz so vorgeht wie derzeit die spanische, ist im Begriff, sich außerhalb der Gemeinschaft der zivilisierten, rechtsstaatlich verfaßten Staaten zu stellen. Wer schweigend zusieht, wie innerhalb des derzeit noch existierenden spanischen Staates Katalanen (und auch Basken) diskriminiert und verfolgt werden, dürfte wohl kaum für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten, sondern insgeheim eher Sympathien für autoritäre Regimes und Diktaturen hegen. Wer schweigt, stimmt zu!

Eine der wenigen Journalistinnen, die nicht schweigen, sondern im Sinne des deutschen Pressekodex sorgfältig recherchieren und objektiv aus Katalonien und Spanien berichten, ist Krystyna Schreiber. Es sei auf einen ihrer Artikel verwiesen, welcher der Lektüre lohnt: Krystyna Schreiber: «Als Terroristin verfolgt: Tamara Carrasco setzt sich für unabhängiges Katalonien ein. Sie wurde verhaftet und sitzt seit Monaten im Hausarrest».

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