Proteste lassen sich nicht verbieten! Solidarität mit Katalonien – für das Recht auf friedliche Selbstbestimmung! Spanien schließt „ohne juristische Basis“ Puigdemont von Wahlen aus!
Prof. Dr. Axel Schönberger Deutschland: Hochrangige spanische Juristen sind entsetzt, dass die Wahlbehörde zu einer neuen Rechtsumgehung ansetzt, um Exilanten von Europawahlen fernzuhalten. Die Wahlen in Spanien am 28. April 2019 — ein schwarzer Tag für Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Europäische Union.
Bei der Wahl zum spanischen Parlament am 28. April 2019 haben nach dem vorläufigen Endergebnis die vier gesamtspanischen Parteien, die Menschenrechtsverletzungen ausdrücklich befürworten und den institutionellen Staatsstreich vom 27. Oktober 2017 für rechtmäßig halten, insgesamt 270 von 350 Sitzen (77,1 %) erhalten. Bei einer Wahlbeteiligung von 75,8 % entfielen auf sie zusammen 61,3 % der abgegebenen Stimmen.
Spanien hat den Übergang von den Strukturen des franquistischen Staates zu einem demokratischen Rechtsstaat bis heute noch nicht vollzogen, sondern in der sogenannten «Transición», die in Wirklichkeit kein ‘Übergang’, sondern eine Fortführung der lediglich anders auftretenden alten Machtstrukturen war, durch die Begründung einer neuen Monarchie die zentralen Werte des Franquismus bewahrt und dafür gesorgt, daß die keineswegs unabhängigen höchsten spanischen Gerichte sowie Polizei und Militär nach wie vor für eine Bewahrung der wesentlichen Inhalte des Franquismus eintreten.
Noch immer nimmt die ausländische Presseberichterstattung nicht zur Kenntnis, daß die «Anwendung» des Artikels 155 der spanischen Verfassung ab dem 27. Oktober 2017 weder begründet noch in dieser Form durch das spanische Recht gedeckt war, sondern es sich vielmehr um eine rechtsmißbräuchliche Berufung auf diesen Artikel zur Rechtfertigung eines institutionellen Staatsstreiches handelte. Weder lag ein hinreichender Grund für die «Aktivierung» dieses Artikels vor — die katalanische Regierung war gar nicht in der Lage, etwaigen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Madrid nicht nachzukommen, so daß es eines «Bundeszwanges» bedurft hätte, da Madrid bereits zuvor Katalonien unter eine Zwangsverwaltung gestellt hatte und jeden Euro der Ein- und Ausgaben streng kontrollierte, und war allen Forderungen Madrids nachgekommen — noch war die Art seiner Anwendung von der spanischen Verfassung und der spanischen Rechtsordnung gedeckt. Die Proklamation der Unabhängigkeit Kataloniens erfolgte bekanntlich nach dem Beschluß, Katalonien durch Anwendung des Artikels 155 unter eine diktatorische Zwangsverwaltung zu stellen. Demgegenüber ist festzuhalten, daß das Autonomiestatut Kataloniens als organisches Gesetz des spanischen Staates verfassungserweiternd ist und von den Vertretern der drei großen spanischen Parteien Partido Popular, PSOE und Ciudadanos nach Gutsherrenart gebrochen und gebeugt wurde. Die Menschenrechtsverletzungen, die alleine in den Jahren 2017 bis 2019 gegenüber dem katalanischen Volk und vielen Katalanen begangen wurden, sind Legion und dürften die schwersten Menschenrechtsverletzungen sein, die in den Staaten der Europäischen Union seit Jahrzehnten begangen wurden. Entsprechende Verfahren sind bereits bei den Vereinten Nationen anhängig.
Die drei spanischen Parteien, welche die rechtswidrige Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung und in der Folge die Etablierung einer rechtswidrigen Diktatur über Katalonien vereinbarten und durchsetzen, sind bis heute stolz darauf, dies getan zu haben. Es sind die Parteien Partido Popular, Ciudadanos und die spanischen sogenannten «Sozialisten» der PSOE, die sich in dem bekanntermaßen hochgradig korrupten Land seit Jahrzehnten mit den Politikern des Partido Popular die Pfründe teilen. Neu hinzugekommen ist nun die Partei Vox, welche bisherige, aus deutscher Sicht rechtsextreme Positionen der Parteien Partido Popular und Ciudadanos sogar noch übertrifft. Diese vier Parteien sprechen sich erklärtermaßen für eine Fortführung der schwerwiegenden Verletzung der Menschenrechte des katalanischen Volkes und vieler Katalanen — darunter sind auch die in erkennbar rechtswidriger Form seit anderthalb Jahren von Spanien in sogenannter «Untersuchungshaft» (in Wirklichkeit ist es eine «Schutzhaft» aus politischen Gründen) gehaltenen katalanischen politischen Gefangenen, welche die spanische Unrechtsjustiz mit großer Wahrscheinlichkeit zu hohen Haftstrafen verurteilt wird, obwohl es dafür keine Grundlage im spanischen Strafgesetzbuch gibt — aus und wollen unter Bruch zwingenden internationalen Rechts — Spanien hat sich bedingungslos den beiden großen Menschenrechtspakten der Vereinten Nationen unterworfen und diese als zwingendes, der sonstigen spanischen Rechtsordnung übergeordnetes Recht in seiner Verfassung verankert — den Katalanen ihr Recht auf Selbstbestimmung und Demokratie, auf den Gebrauch ihrer eigenen Muttersprache, auf unbehinderte freie Meinungsäußerung, auf friedliche Versammlung, auf die Pflege ihrer Kultur und den Gebrauch ihrer eigenen Sprache verweigern bzw. einschränken, außerdem gewählte Politiker willkürlich über längere Zeiträume in Haft halten, die Unschuldsvermutung gegenüber Beschuldigten mißachten, Beschuldigten vor Gericht das Recht der unentgeltlichen Beiziehung eines Dolmetschers verweigern, Politiker wegen Handlungen oder Unterlassungen verurteilen, die zum Zeitpunkt ihres Begehens weder nach spanischen noch nach internationalem Recht strafbar waren und Politikern das passive Wahlrecht verweigern, wobei es graduelle Unteschiede dahingehend gibt, daß sich die spanischen Sozialisten ausdrücklich für große Menschenrechtsverletzungen, aber mit gewissen minimalen Einschränkungen, und die dem Franquismus nahestehende Partei Vox für große Menschenrechtsverletzungen ohne jegliche Einschränkungen aussprechen, während die Parteien Partido Popular und Ciudadanos diesbezüglich zwischen diesen beiden Parteien liegen, wobei die durch und durch illiberale Partei Ciudadanos, die bis vor wenigen Jahren noch ausgesprochen europafeindlich auftrat, politisch rechts von der Partei Partido Popular steht und es einer Beleidigung etwa der deutschen F.D.P. gleichkäme, diese Partei als «liberal» zu bezeichnen.
Artikel 9 Abs. 1 der spanischen Verfassung lautet unmißverständlich wie folgt: «Die Bürger und die öffentliche Gewalt sind an die Verfassung und die übrige Rechtsordnung gebunden.» Damit sind die spanische Judikative, Exekutive und Legislative auch an die transformierten Vorschriften des Völkerrechts gebunden, die über Artikel 10 Abs. 2 sowie Artikel 96 Abs. 1 der spanischen Verfassung Bestandteil der spanischen Rechtsordnung sind und von spanischen Gerichten oder Regierungen auch nicht einseitig auf neue Weise ausgelegt werden dürfen, da auch für Spanien das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV) gilt. Der spanische Staat und seine Organe sind sogar verpflichtet, den Katalanen und dem katalanischen Volk dessen Menschenrechte zu garantieren. Das Gegenteil ist bekanntlich der Fall.
Über 75 % der Sitze im neugewählten spanischen Parlament entfallen somit auf Parteien, die keine politische Lösung des Konflikts zwischen Spanien und Katalonien wünschen, sondern auf Unterdrückung, Zwangsmaßnahmen, Rechtsbrüche, politische und juristische Verfolgung mißliebiger Personen und Menschenrechtsverletzung setzen, auf Parteien, die keine Skrupel haben, ein demokratisch ordnungsgemäß gewähltes Parlament mir nichts, dir nichts aufzulösen und dessen Parlamentariern die Immunität zu nehmen, um sie sodann in erkennbar enger Absprache mit Staatsanwaltschaft und gewissen Richtern juristisch verfolgen zu lassen, ja sogar eine Parlamentspräsidentin wegen der pflichtgemäßen Erfüllung ihrer Amtsaufgaben inhaftieren und von einer politisch gesteuerten Justiz mit einer faktisch lebenslänglichen Haftstrafe bedrohen zu lassen. Was hat ein solches Land noch in Europa verloren?
Rechtsstaatlichkeit, wie sie nach europäischem Standard sein sollte, ist in Spanien derzeit nicht gegeben. Die politische Verfolgung Andersdenkender, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, die Kriminalisierung ehrenwerter Politiker aus rein politischen Gründen, die Mißachtung der eigenen Rechtsordnung in schwerwiegender Weise und die massive Verletzung der Menschenrechte lassen Spanien zu einem postdemokratischen Staat ohne ausreichende Gewaltenteilung und ohne funktionierende Rechtsstaatlichkeit werden, der längerfristig nicht mehr zu Europäischen Union gehören kann und darf, wenn sich die Verhältnisse nicht grundlegend ändern und den Standards zivilisierter Länder anpassen.
Alleine daß dem eindeutigen Wahlsieger der katalanischen Parlamentswahlen vom 21. Dezember 2018, Carles Puigdemont, von spanischer Seite verwehrt wurde, erneut zum Präsidenten Kataloniens gewählt zu werden — der er, der an sich gegebenen Nichtigkeit seiner Absetzung zufolge, in rechtlicher Hinsicht an sich immer noch sein dürfte —, daß auch anderen katalanischen Politikern entgegen jeglicher Unschuldsvermutung das passive Wahlrecht faktisch entzogen wurde, darf in einem Staat, der zur Europäischen Union gehören will, nicht vorkommen. Aber auch die Wahlen zum nächsten Europa-Parlament im Mai 2019 sind von der rechtswidrigen Vorgehensweise Spaniens in schwerwiegender Weise betroffen. Das derzeitige Vorgehen Spaniens gegen katalanische Politiker könnte zur Nichtigkeit und damit zur Erfordernis der Wiederholung der Europa-Wahl führen.
Aufgrund ihres unbestrittenen Status als EU-Bürger und der Gültigkeit des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) haben etwa die katalanischen Politiker Carles Puigdemont, Clara Ponsatí und Toni Comín das Recht, sich jederzeit in anderen Ländern der Europäischen Union aufzuhalten. Es handelt sich dabei im übrigen auch um ein Menschenrecht (Artikel 12 des ICCPR). Wenn Journalisten etwa in der Bundesrepublik Deutschland das törichte Gesabbere rechter spanischer Politiker wiederholen, diese katalanischen Politiker hätten sich ihrer Strafverfolgung «durch Flucht entzogen», ignorieren sie sowohl europäisches Recht als auch die Menschenrechte. Zu keinem Zeitpunkt haben sich die vorgenannten Politiker der Justiz entzogen. Sie nehmen als von der spanischen Justiz Beschuldigte ihre Rechte als EU-Bürger und ihre Menschenrechte wahr und stehen der Justiz der Länder, in denen sie sich aufhalten, im Falle entsprechender Auslieferungsanträge Spaniens ohne Einschränkungen zur Verfügung. Daß es nach den bisher ergangenen Beschlüssen der Gerichte mehrerer EU-Staaten offenbar keinen juristisch tragfähigen Grund für ihre juristische Verfolgung und damit ihre Auslieferung gibt, ist eine Ohrfeige für die spanische Justiz. Wer von «Flucht» oder «Feigheit» der sich derzeit in mehreren europäischen Ländern aufhaltenden katalanischen Politiker spricht, hat als Journalist dermaßen erbärmlich recherchiert, daß er eigentlich wegen eines gravierenden Verstoßes gegen den Deutschen Pressekodex vom Deutschen Presserat eine entsprechende Rüge erhalten müßte. Andersherum wird ein Schuh daraus: Spanien mißbraucht sein Rechtssystem zur politischen Verfolgung unbescholtener Politiker in einem Ausmaß, das normalerweise mindestens die zeitweise Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte Spaniens in der Europäischen Union zur Folge haben müßte, wenn denn die Europäische Union an Spanien dieselben Maßstäbe anlegte wie etwa an Polen.
Prof. Dr. Clara Ponsatí, Toni Comín und Carles Puigdemont wurden ordnungsgemäß als Kandidaten für die Wahl zum Europäischen Parlament im Mai 2019 benannt. Die spanische Wahlkommission, die Junta Electoral Española, hat diesen drei Kandidaten in einer auf den 28. April 2019 datierten Entscheidung — die entsprechende Sitzung scheint indes erst am 29. April 2019 stattgefunden zu haben — mitgeteilt, daß sie bei der Wahl zum Europäischen Parlament nicht wählbar seien, weil sie einen festen Wohnsitz in Spanien haben müßten — diesen haben alle drei Kandidaten indes ohne jeden Zweifel — und weil ihre «juristische Lage» — die Unschuldsvermutung scheint also für von der spanischen Justiz Beschuldigte nicht zu gelten — eben dazu führe, daß sie nicht wählbar seien, da ein Haftbefehl gegen sie vorliege, der ihnen auch die Ausübung politischer Ämter verbiete. Es handelte sich bei den drei Kandidaturen um einen «Betrug gegenüber den Wählern», sie stünden im Widerspruch zur spanischen Rechtsordnung, weil alle drei der «Rebellion» beschuldigt seien. Die drei Politiker dürften derzeit auch ihr aktives Wahlrecht nicht ausüben. Es sei ein schlechter Scherz, daß die drei Politiker im Exil lebten und dennoch für ein politisches Amt kandidierten. Diese in ihrer juristischen Erbärmlichkeit kaum zu überbietende Mitteilung, die ein gewaltiger juristischer Skandal auf europäischer Ebene ist, erfolgte um 18 Uhr 42, lediglich bis 20 Uhr hätte seine Partei die Möglichkeit gehabt, die Kandidaturen gegebenenfalls noch zu ändern.
Vier Mitglieder der spanischen Wahlkommission, darunter deren Präsident und deren Vizepräsident, haben dagegen in einem Minderheitenvotum festgehalten, daß es ihrer Meinung nach unzulässig sei, den drei katalanischen Politikern ihr passives Wahlrecht für die anstehenden Europawahlen zu verweigern und daß die Wahlkommission noch nicht einmal die entsprechenden Anträge der Parteien Partido Popular und Ciudadanos zur Entscheidung annehmen gedurft hätte.
Es handelt sich um einen nicht nur für Spanien, sondern für ganz Europa äußerst schwerwiegenden Fall, der möglicherweise zur Nichtigkeit der Wahl zum Europäischen Parlament und damit zu deren Wiederholung führen könnte. Dieser schwerwiegende Verstoß gegen die Menschenrechte und gegen die spanische Rechtsordnung, die durch diese Entscheidung der spanischen Wahlkommission verwirklicht wird, ist ein Fall für den Europäischen Gerichtshof und die Vereinten Nationen. Ohne ausreichende Rechtsgrundlage wird die Unwählbarkeit von Politikern mit erheblichen Wahlchancen, die dem spanischen Staat indes mißliebig wären, postuliert und damit das Wahlergebnis gravierend beinflußt und beeinträchtigt. Ein solches postdemokratisches Spanien wird nicht länger Mitglied der Europäischen Union bleiben können, wenn es die Menschenrechte und sein eigenes Recht weiterhin in derart schwerwiegender Weise mißachtet!
Angesichts dieser Situation werden die Katalanen nicht umhin können, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die sie innerhalb des derzeit noch existierenden spanischen Staates haben, dem internationalen Ansehen Spaniens, der spanischen Wirtschaft und der spanischen Politik einen maximalen Schaden zuzufügen, der den Nutzen, den Spanien seit langer Zeit aus der wirtschaftlichen Ausbeutung Kataloniens zieht, bei weitem übersteigen wird. Gleichzeitig wird es langfristig, je mehr die großen Menschenrechtsverletzungen , die Spanien beging und begeht, international bekannt werden, zu einer ähnlichen internationalen Isolation des spanischen Staates kommen, wie sie einst die von der Apartheid geprägte Republik Südafrika erfuhr. Zu Maßnahmen der Völkergemeinschaft müssen Boykottmaßnahmen aller Art auch privater Verbraucher und Touristen gegen Spanien treten. Die Einsetzung eines internationalen Tribunals, das dereinst über die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen spanischer Politiker, Staatsanwälte und Juristen richten wird, wäre wünschenswert. Der wirtschaftliche und politische Schaden für Spanien muß schließlich so gewaltig ausfallen, daß Spanien sich endlich eines besseren besinnt und dem katalanischen Volk die von der spanischen Rechtsordnung unmißverständlich garantierten Menschenrechte endlich gewährt und nicht weiterhin entzieht, zumal der spanische Staat seiner eigenen Verfassung zufolge deren Garant sein müßte. Auch an einer Aussetzung der Mitgliedschaftsrechte Spaniens in der Europäischen Union gemäß dem EU-Vertrag dürfte langfristig wohl kein Weg vorbeiführen, wenn Spanien so weitermacht wie bisher.
Der 28. April 2019 war ein schwarzer Tag für die Menschenrechte und die Europäische Union. Es wird sich zeigen, ob er auch zur Nichtigkeit der anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament führen wird.
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