Wir haben ein Rechtssystem was nicht funktioniert! Sorgt sich Günther Beckstein wirklich um den Rechtsstaat? – Wir alle sorgen uns um den Rechtsstaat, vor allem in Guantanamo Ravensburg und in BaWü! Ravensburg hat keinen Ruf mehr zu verlieren!
Am 06.12.2012 war ich auf der Demokratietagung in Speyer, an der unter anderem auch Günther Beckstein, CSU, teilnahm. Ich nutzte die Mittagspause, um ihn auf den Fall Gustl Mollath anzusprechen und erzählte ihm, dass am gleichen Morgen die BBC in England und wenige Tage davor auch schon die englische Tageszeitung Guardian über diesen Justizskandal berichtet hat und dass ich den Eindruck habe, dass nicht nur der Ruf Bayerns hier auf dem Spiel steht sondern auch der Ruf Deutschlands als Rechtsstaat. Wenn mich ehemalige Kommilitonen aus England fragen, was das alles bedeutet, könnte ich keine gute Antwort darauf geben, weil ich selbst das, was ich den Medien entnehmen kann, hochgradig beunruhigend finde und als Bürgerin die Welt nicht mehr verstehe. Ich sei sehr verunsichert, sagte ich ihm, und viele andere Menschen auch. (Ein Gastbeitrag von Anke Domscheit-Berg) Beckstein
German man locked up over HVB bank allegations may have been telling truth. Ich fragte Günther Beckstein nach seiner Meinung dazu. Seine Meinung wurde sehr schnell klar: das Thema echauffierte ihn ganz erkennbar, er fand, Politik sollte sich raushalten (also auch er), der Mollath hätte ja selbst für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sorgen können und überhaupt, alle Instanzen hätten ja das Urteil bestätigt. Die Medien würden den Fall falsch darstellen, Fakten weglassen und eine Kampagne betreiben. Ich hätte ja einfach keine Ahnung. Zum Beispiel hätte der Mollath ja auch viel gefährlichere Sachen damals gemacht, als die Medien immer schreiben würden. Ich warf ein, dass ich nicht weiß, wer damals was gemacht hat aber dass sogar, wenn diese Vorwürfe wegen Tätlichkeiten gegenüber seiner Frau alle gestimmt hätten, wäre er seit Jahren ein freier Mann. Dudda Zitat: Natürlich ist Herr Beckstein in der Landessynode mit an oberster Stelle, er tritt in Bayern in Kirchen auf und predikt über die 10 Gebote!
Inzwischen hatte sich ein Jurist aus Bayern dazugesellt, der uneingeschränkt meine Aussagen unterstützte und seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass Gustl Mollath noch vor Weihnachten die forensische Psychiatrie verlassen kann, in der er seit 7 Jahren unter restriktiven Bedingungen festgehalten wird. Er hat keinen Zugang zu überregionalen Medien, keinen Zugang zum Internet, keine Möglichkeit privater Telefonate. Seinen Besitz hat er verloren in all den Jahren und alles das vermutlich, weil man ihn vor 7 Jahren für paranoid und gefährlich erklärt hat – gestützt vor allem auf seine offenbar „irre“ Behauptung, seine Frau wäre bei ihrem Arbeitgeber, der HV-Bank (HVB) in Schwarzgeldgeschäfte verwickelt. Er hat dafür ganze Pakete an Beweisen angeboten – nur leider wollte die keiner sehen. Der Richter soll seinerzeit die Finanzbehörde angerufen haben (berichten die Nürnberger Nachrichten), und von Ermittlungen in dieser Sache abgeraten haben, mit Bezug darauf, dass Mollath ja verrückt wäre. Zu dieser Aussage warf Beckstein sofort ein, das wäre frei erfunden, der Richter würde das vehement leugnen. Die Wahrheit zum Anruf kenne ich nicht. Aber auch der Spiegel schreibt, dass den Nürnberger Nachrichten ein Anruf von Seiten der Justiz bestätigt wurde von Beamten der Finanzbehörde.
Aber unbestritten ist, dass die Finanzbehörde NICHT ermittelt hat und auch niemand die angebotenen Beweise überprüft hat. So dauerte es viele Jahre, bis von der HVB selbst eingeräumt wurde, dass alle überprüfbaren Behauptungen von Gustl Mollath sich als wahr erwiesen haben. Mollaths Exfrau, die ihn seinerzeit physischer Übergriffe beschuldigt hatte, wurde längst wegen der Verwicklung in Schwarzgeldgeschäfte entlassen. Bei der Bank fand auch endlich eine Durchsuchung durch die Finanzbehörden statt. Ganz offensichtlich waren also die Vorwürfe von Gustl Mollath, die ihn selbst damals entlastet hätten, alles andere als irre.
Meine Bitte um Unterstützung der Wiederaufnahme des Verfahrens von Mollath stieß bei Beckstein dennoch auf taube Ohren. Für mich überraschend erregte sich der Grand Senior der CSU sehr – jedoch in einer nicht erwarteten Art und Weise. Ich hatte erwähnt, dass Seehofer ja nun auch ein Aufrollen des Falles befürwortet hatte. Genau das fand Beckstein jedoch falsch. Mehrfach wiederholte er sein Mantra – dies sei ein Eingriff in den Rechtsstaat, die Justiz sei unabhängig und weder Merk noch Seehofer dürfen sich da einmischen. Die schriftliche Äußerung von Seehofer dazu käme eine Dienstanweisung gleich und das ginge einfach gar nicht. Seehofer bestreitet auch jeden Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz. Der Jurist und ich sahen das ebenfalls anders, nicht als formelle Dienstanweisung sondern als Wunschäußerung von Seehofer, sich des Falles aufgrund neuer Erkenntnisse zu Verfahrensfehlern und Beweisen erneut anzunehmen – und daran ist ja nichts Falsches. Dass davon abgesehen eine Justizministerin geradezu die politische Verpflichtung dazu hat, auf Aufklärung zu drängen und sich damit auch einzumischen, wenn sich der Verdacht aufdrängt, dass hier unser Rechtsstaat versagt hat, das scheint Beckstein anders zu sehen.
Der bei uns stehende Jurist appellierte an Beckstein, doch nicht auf Formalismen herumzureiten und stattdessen auch den gesunden Menschenverstand einzuschalten und auch auf sein Herz zu hören. Beckstein wiederholte dennoch immer wieder, dass es für ihn der Untergang des Rechtsstaates wäre, wenn irgendein Politiker sich da einmische. Schließlich könne Mollath ja ein Wiederaufnahmeverfahren selbst anstrengen und dann würden die rechtlichen Prozesse auch alle ganz ordnungsgemäß ablaufen. Wie ordnungsgemäß diese rechtlichen Prozesse in der Vergangenheit jedoch abliefen, durfte Mollath ja leider hinlänglich erfahren.
Beckstein berief sich auch auf die Bestätigung des Urteils durch den BGH, auf mehrere psychiatrische Gutachten, die alle das gleiche ergeben hätten und fragte mich, ob ich eine Ahnung davon hätte, was dieser Mensch alles für Briefe und Petitionen geschrieben hätte, an Gott und die Welt. Meine Antwort: ich hätte vermutlich an den Papst persönlich geschrieben, wenn man mich Jahre lang als verrückt einsperren würde. Wie soll man sich denn wehren, wenn es offenbar rechtlich nicht geht? Aber Beckstein meinte nur, der Mollath der hätte früher auch schon so Briefe geschrieben. Ja, das stimmt, „der Mollath“ hat z.B. auch schon 2005 einen Brief an Beckstein (damals bayerischer Innenminister) geschrieben, mit einer Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt gegen die Staatsanwältinnen, die nicht wegen der von ihm angegebenen Schwarzgeldgeschäfte ermittelt hätten, auf die Beckstein jedoch nicht reagierte. Aber er hatte auch früher schon Briefe geschrieben an große Verteiler und mit großer Schrift. Klarer Fall für „gemeingefährliches Verhalten“, das hinter forensische Gitter gehört? Das wäre mir neu.
Der anwesende und offenbar mit den Details des Falls gut vertraute Jurist appellierte erneut an Beckstein, sich der Sache anzunehmen – das BGH hätte nicht wirklich in der Sache geprüft, viele Fehler wären passiert, die schnellstens aufgearbeitet werden müssten, eine Revision hätte faktisch nicht stattgefunden. Der Mann säße ganz offensichtlich unschuldig eingesperrt seit vielen Jahren und da könne man doch einfach nicht zuschauen. Er stellte klar: „in meinen Augen ist das der größte Justizskandal, den Bayern erlebt hat bisher, da kann man nur Schadensbegrenzung machen und dafür sorgen, dass der Mann so schnell wie möglich frei kommt und alles aufgeklärt wird“. Er sprach mir aus der Seele. Wenn die CSU in Bayern die nächsten Wahlen nicht verlieren will, dann gibt es in meinen Augen nur eine Handlungsoption in dieser Sache: den Sumpf ausheben, alle Verflechtungen offen legen, Fehler ahnden und Gustl Mollath zu seinem Recht verhelfen – besser spät als nie – und sich dann um angemessene Wiedergutmachung bemühen. Die verlorenen Jahre gibt Gustl Mollath niemand wieder, sein Leid lässt sich nicht ungeschehen machen. Aber wenigstens Rehabilitation wäre ihm unser Rechtsstaat schuldig.
Ich hoffe sehr, dass das Gespräch auf Beckstein trotz seines Abblockens und seiner vordergründig negativen Reaktion einen Eindruck hinterlassen hat, der ihn zum Nach- und Umdenken bringt. Seine erkennbar heftige Aufregung spricht trotz seiner Beteuerung „der Fall ist mir eigentlich egal, das regt mich überhaupt nicht auf“ dafür, dass er genau weiß, worum es geht – um einen Skandal, der noch sehr weite Kreise ziehen wird.
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