Spanischer Minister: «Für Referendum in Katalonien wurde kein Euro öffentlicher Mittel ausgegeben»!

Prof. Dr. Axel Schönberger, Deutschland: In dem von Spanien gegen den katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont ausgestellten europäischen Haftbefehl ist der Tatbestand der «Korruption» (wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder im Zusammenhang mit der Finanzierung des katalanischen Referendums vom 1. Oktober 2017) angekreuzt. Zur Zeit prüft das zuständige deutsche Gericht, ob dieser Tatvorwurf deutschem Recht entspricht. Wie in den spanischen und katalanischen Medien des vergangenen Jahres bereits ausführlich berichtet wurde, wurden die Kosten der Volksabstimmung vom 1. Oktober 2017 ausschließlich aus privaten Mitteln bezahlt. Nun hat der spanische Finanzminister Cristóbal Montoro in einem Interview mit der Tageszeitung «El Mundo» vom 16. April 2018 erneut hervorgehoben, daß nicht ein Euro an öffentlichen Geldern für die Finanzierung dieses seiner Meinung nach illegalen Referendums verausgabt worden sei:

Da die katalanische Regierung bereits seit November 2015 zunächst zunehmend und dann vollständig unter der finanziellen Kontrolle Madrids stand, wäre im übrigen eine entsprechende Verwendung öffentlicher Mittel ohnehin nur mit Zustimmung der Madrider Regierung möglich gewesen.

«Yo no sé con qué dinero se pagaron esas urnas de los chinos del 1 de octubre, ni la manutención de Puigdemont. Pero sé que no con dinero público».

«Ich weiß nicht, mit welchem Geld diese chinesischen Wahlurnen des 1. Oktober sowie die Kosten für Puigdemont bezahlt wurden. Aber ich weiß, daß es nicht mit staatlichen Geldern erfolgte.» (Cristóbal Montoro).

Der spanische Finanzminister betont indes, daß der Vorwurf der Korruption und der Veruntreuung öffentlichter Gelder keineswegs nur auf eine treuwidrige Verausgabung öffentlicher Mittel ziele, die es in der Tat nicht gegeben habe, sondern auch weitere Tatbestände wie beispielsweise die Verwendung öffentlicher Gebäude — also etwa die Öffnung von Schulen zur Durchführung des nach Auffassung der spanischen Regierung illegalen Referendums — umfasse.

Obwohl Katalonien bereits Monate vor dem Referendum unter spanischer Zwangsverwaltung stand und deren Repräsentant, der spanische Finanzminister, die Verwendung öffentlicher Mittel für das Referendum vom 1. Oktober 2017 energisch bestritt und bestreitet, geht Richter Pablo Llarena vom spanischen Obersten Gerichtshof davon aus, daß mehr als 1,6 Millionen Euro staatlicher Mittel für dieses Referendum aufgewandt worden seien, deren Ausgabe dann ja wohlgemerkt, wenn sie denn erfolgt wäre, vom spanischen Finanzminister genehmigt und freigegeben worden sein müßte.

Wäre eine mißbräuchliche Verwendung von Geldern aus dem Haushalt der katalanischen Regierung erfolgt, so wäre die Gerichtsbarkeit Kataloniens, nicht aber die des Zentralstaates dafür zuständig. Daß ein entsprechendes Verfahren nicht an dem zuständigen Gericht in Barcelona, sondern an einem dafür nach spanischen Recht unzuständigen Gericht in Madrid geführt wird, das in dieser Angelegenheit einen europäischen Haftbefehl ausstellen läßt, ist aus juristischer Sicht wohl zumindest als ‛Merkwürdigkeit’ zu bezeichnen.

Einen Beweis dafür, daß der katalanische Präsident oder einer seiner Minister eine Anordnung zur Verwendung öffentlicher Gelder zur Finanzierung des Referendums am 1. Oktober 2017 erteilt hätte und eine solche Verwendung auch erfolgt wäre, gibt es bislang offenbar noch nicht. Doch scheint es die spanische Justiz für strafbar zu halten, ein Referendum anzusetzen, das Kosten für die Staatskasse hervorrufen könnte, und zwar auch dann, wenn derartige Kosten nachweislich nicht entstanden und keine staatlichen Mittel aufgewandt wurden. Die Argumentation geht dann eben dahin, daß nicht auszuschließen gewesen wäre, daß die offizielle Ansetzung eines solchen Referendums zu derartigen Kosten hätte führen können, was bereits eine Strafbarkeit begründe. Deutsche Juristen werden dies wohl anders sehen.

Geradezu absurd erscheint das gedankliche Konstrukt, daß die katalanische Regierung nach ihrer Entmachtung am 27./28. Oktober 2017 ja nicht mehr in der Lage gewesen sei, dann noch eventuell im Nachgang anfallende Kosten für das Referendum vom 1. Oktober 2017 aus privaten Mitteln ausgleichen zu lassen, da sie dann ja keinen Überblick mehr über eventuell noch angefallene Kosten gehabt haben könnte, so daß im Falle einer Bezahlung derartiger Kosten — wohlgemerkt unter Kontrolle und mit Genehmigung des spanischen Finanzministers — nach dem 28. Oktober 2017 sehr wohl der katalanische Präsident und seine Minister für in diesem Fall vom spanischen Staat freigegebene Ausgaben — von denen bislang noch nicht bekannt ist, ob es sie überhaupt gab — straf- und zivilrechtlich verantwortlich zu machen wären. Die zuständigen Beamten des spanischen Finanzministeriums haben der spanischen Audiencia Nacional und dem Tribunal Supremo gegenüber ausführlich dokumentiert, daß und warum aufgrund ihrer Kontrolle kein Euro an staatlichen Mitteln für das Referendum vom 1. Oktober 2017 ausgegeben worden sei. Dennoch stützt sich Richter Pablo Llarena in seinem Korruptionsvorwurf gegen den katalanischen Präsidenten und dessen Minister auf einen Bericht der spanischen Guardia Civil, daß es derartige Ausgaben zur Finanzierung des Referendums gegeben haben müsse. Es scheint somit eines materiellen Beweises zu ermangeln. Es wäre verwunderlich, wenn unter solchen Umständen die deutsche Justiz dem spanischen Auslieferungsbegehren stattgäbe, zumal Deutschland nach der Genfer Flüchtlingskonvention die Auslieferung von Menschen, die aufgrund ihrer politischen Ansichten verfolgt werden, verboten ist. Und daß es sich im Falle des katalanischen Präsidenten und seiner Minister nicht um eine strafrechtlich begründete, sondern um eine politisch motivierte Verfolgung handelt, dürfte sich mittlerweile nicht mehr verheimlichen lassen.

Auch Prof. Dr. Aamer Anwar, Rektor der Universität Glasgow, der die anwaltliche Vertretung der gleichfalls mit europäischem Haftbefehl von Spanien gesuchten katalanischen Ministerin Prof. Dr. Clara Ponsatí übernahm, nimmt kein Blatt vor den Mund, wie er die Qualität und Vorgehensweise der spanischen Justiz in diesen Fällen bewertet:

Cristóbal Montoro: „Acepto que al PP le pasa algo, pero su problema no es Rajoy“

Catalan academic’s lawyer accuses Spain of abusing legal process

Diesen Artikel bewerten
5 von 5 Sternen bei 1 Stimme(n).
Weitere Artikel aus der Kategorie

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.

Verwendung von Cookies: Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Ok Mehr Informationen

Cookies