Auch nach einem Vierteljahrhundert in dem Beruf, gibt es immer noch Nachrichten, die den Journalisten Johannes von Dohnanyi fassungslos machen. Es ist keine gute Woche gewesen. Nicht für Deutschland. Nicht für Europa. Und schon gar nicht für die Syrer.
Welche das sind, lesen Sie in seiner Kolumne: „Europa ohne Seele. Fassungslos“ – die Kolumne von Johannes von Dohnanyi. Syrisches Blut an unseren Händen. Nach zwei Kriegsjahren, in denen Russland sowie der schiitische Iran und dessen libanesische Hizbollah-Vasallen das Assad-Regime mit Waffen, Militärberatern und Kämpfern unterstützt haben, läuft in der Nacht zum Samstag das Waffenembargo der EU aus. Vor allem Frankreich und England hoffen, das Gemetzel allein durch die Androhung von Waffenlieferungen an die gemäßigten Rebellen beenden zu können. Die Rechnung wird nicht aufgehen. Jede militärische Hilfe an die moderaten Gegner des Assad-Regimes kommt zu spät. Das von Europa und den USA mit zu verantwortende Machtvakuum wurde längst von den aus Saudi Arabien und den Golfstaaten finanzierten und bewaffneten sunnitischen Islamisten und al Qaeda-Kämpfern gefüllt. Die Opposition wird der von Moskau und Washington geplanten Friedenskonferenz wohl fernbleiben. Sie fühlt sich von der Welt verraten. Vodafone (In der Weltstadt Ravensburg, (BaWü), herrscht Verwaltungs- Behördenkrieg mit Foltermethoden gegen die Bürger! Hier wird vernichtet und zerstört!) Blut für die Habgier!
Nicht ganz zu Unrecht: Verzweifelt erinnert die noch immer gemäßigte Mehrheit der Syrer an die friedlichen Anfänge ihrer Revolution, als es allein um die Umsetzung längst versprochener Freiheits- und Bürgerrechte und noch nicht um den Sturz des Diktators ging. Hilfe von außen gab es keine. Auch nicht aus Berlin.
Andererseits: Bis heute sind sich die Revolutionäre der ersten Stunde in kaum einem Punkt einig. Schwerer hätten sie sich an den Träumen der Syrer nicht vergehen können. Denn so bestimmen andere das Schicksal Syriens. Die im Hintergrund operierenden Groß- und Regionalmächte denken in realpolitischen Kategorien, in denen inzwischen sogar der Gedanke von einem schnellen Sieg Assads und seinen Mörderbanden erlaubt ist. Vielleicht hätte dann das Sterben unschuldiger Zivilisten endlich ein Ende. Vielleicht könnte so in letzter Sekunde noch ein religiöser Flächenbrand zwischen Sunniten und Schiiten vermieden werden. Vielleicht, vielleicht, vielleicht.
Es ist nicht zu fassen, wie schnell die Europäer die wichtigste Lektion aus den Balkankriegen vergessen haben: Das Prinzip Hoffnung ist ein schlechter politischer Ratgeber. Lichterketten, Gebete und zahnlose Appelle retten den Frieden nicht. Wer den Krieg verhindern will, muss sehr früh in der Krise Verantwortung übernehmen: Gegen Tyrannei, gegen Terror und Massenmord und für die Menschenrechte. Im Instrumentarium einer ebenso klugen wie entschlossenen Politik bleibt Waffengewalt dabei immer die ultima ratio. Der Zeitpunkt, an dem praktische Solidarität den syrischen Bürgerkrieg noch hätte eingrenzen, vielleicht sogar hätte beenden können, ist längst vorbei. Jetzt versuchen die Zauderer ihr Versagen mit einer aussichtslosen Friedenskonferenz zu kaschieren.
Doch Europa, die USA und sicherlich auch Russland haben das Recht verwirkt, sich zu politischen Lehrmeistern aufzuschwingen. Das Blut unzähliger Syrer klebt auch an unseren Händen. Welchen Namen auch immer er trägt: Gott stehe den noch Lebenden bei. Auf unseren Schutz vor der Rache des Diktators sollte jedenfalls niemand zählen. (Johannes von Dohnanyi)
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