Rattenfänger bis Chamäleon – Diese Rhetorik-Typen dominieren 2019. „Heutige Generation wird rückblickend Verantwortung übernehmen müssen“.
Melodien, Meldungen, Monologe: Die Kunst und Macht der Rede wird nach Ansicht des Rhetorikprofis Jürgen Rixgens die Weltordnung auch in 2019 weiter durcheinander bringen. „Einerseits nutzen versierte Politiker und Entscheider ihre sprachlichen Fähigkeiten zur Manipulation. Andererseits sind Empfänger weiterhin viel zu selten in der Lage, die Tricks zu enttarnen. Polemik, Populismus und Fakenews haben anhaltend Konjunktur; verstärkt durch die Informationsflut und neue Kanäle“, erklärt Rixgens. „Wichtige Grundsatzdebatten wie Klimawandel, Demokratie oder Menschenwürde drohen auch 2019 durch rhetorische Phrasen in eine Richtung entschieden zu werden, für die retrospektiv die jetzige Generation Verantwortung übernehmen muss.“ Nachfolgend skizziert Rixgens 3 Rhetorik-Typen, die das Jahr 2019 dominieren werden.
1. Der Rattenfänger: Bereits früher pfiff der Rattenfänger eine Melodie, bis alle Ratten sich um ihn versammelten. Rhetorisch sieht es heute ähnlich aus. „Der Rattenfänger schürt die Ängste, die bereits in den Köpfen der Menschen sind. Dazu setzt er auf eine einfache Sprache, Bagatellisierung, einprägsame Beispiele und Wiederholungen“, erklärt Rixgens. Außerdem bezieht er klar Stellung, um seine Meinung zu verbreiten. Nicht selten auf Kosten von Minderheiten. „Es ist nicht in seinem Sinn, einen Dialog zu fördern. Er redet, während andere zuhören“, weiß der Rhetorik Profi. Eine besondere Gefahr geht davon aus, dass der Rattenfänger schrittweise Tabus bricht und damit den Wertekompass verschiebt. Die Hemmschwelle sinkt, die Verharmlosung nimmt zu.
2. Der Digitale: Sein Publikum ist die ganze Welt. Er verbreitet Meinungen online, geschützt und verstärkt durch die virtuelle Blase. „Der Digitale weiß, welche Kanäle er wie nutzen muss, um seine Botschaft ohne wichtige Gatekeeper wie Journalisten zu verbreiten – oftmals direkt, ungefiltert und redaktionell ungeprüft. Soziale Medien wirken wie ein Katalysator. Ein kleiner Post kann Dämme einbrechen lassen und eine Flut auslösen“, erklärt Rixgens. Dabei stehen dem Digitalen Werkzeuge zur Bildmanipulation und Datenverarbeitung zur Verfügung bis hin zu automatisierten Bots. Rhetorisch setzt der Digitale auf Vereinfachung, Kontroverse und Provokation.
3. Das Chamäleon: Wie das Chamäleon seine Farben ändert dieser Rhetorik-Typ seine Meinung und Position. „Er zeichnet sich durch seine Anpassungsfähigkeit aus. Er ist lange zurückhaltend, überschaut die Situation, um dann in Erscheinung zu treten“, sagt Rixgens. Das Chamäleon nutzt dabei geschickt Mehrheiten und Positionen und profitiert von der Tendenz zur sozialen Erwünschtheit. Danach stellen sich nur wenige mit der eigenen Meinung gegen Mehrheiten. Vielmehr passen sie ihre Antworten der Masse an – und damit dem Druck der Mehrheit. Zugute kommt dem Chamäleon die immer kürzere Halbwertzeit von Informationen und Verschiebungen im Wertesystem. „Geradlinigkeit und Integrität haben heute einen geringeren Stellenwert. Anpassungsfähigkeit gilt heute als Softskill – und wird entsprechend erwartet und gar positiv goutiert.“
Über Jürgen Rixgens: Jürgen Rixgens ist Gründer und Inhaber der Münchner Firma Rixcom GmbH, einer Akademie für angewandte Rhetorik. Mit Erfahrung als Dozent in der Erwachsenenbildung arbeitet er seit mehr als 15 Jahren weltweit vor allem als Rhetor und Kommunikationstrainer. Für Unternehmen wie SAP, Roland Berger oder Telekom ist er regelmäßig in Ländern wie Deutschland, England, USA und Asien unterwegs. Sein Fokus richtet sich dort auf Kommunikationstrainings und Coachings von Spitzenmanagern in Vorbereitung auf Pressekonferenzen, TV- und Konferenzauftritte sowie schwierige Kunden- und Mitarbeitergespräche. Er setzt auf die Kultur des guten Arguments und rhetorische Techniken, die wirken, damit seine Kunden authentisch ankommen und erreichen, was sie wollen. Zudem ist er Autor des Buches „Komplizierte Kollegen und Vorgesetzte – So gehen Sie mit Quasselstrippen, Cholerikern & Co. um“.
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