Das Tagesgespräch zur Frage, ob der katalanische Präsident ausgeliefert werden soll, auf Bayern2, wurde zur Zensur?
In Deutschland findet Zensur statt?: Maulkorb für Kritiker durch die politisierten Staatsmedien, Seehofer, CSU, die Freiheit nehme ich Dir? Prof. Dr. Axel Schönberger. Im Tagesgespräch zu der Frage ausliefern oder nicht, auf Bayern 2. Wie würden Sie im Falle Puigdemont entscheiden? Schaltete Bayern 2 am 4. April 2018 Prof. Dr. Axel Schönberger als Katalonien-Experten zu. Die Zuschaltung wurde jedoch nach seiner ersten Stellungnahme unterbrochen, und trotz mehrerer Anrufe seinerseits in der Redaktion von Bayern 2 gelang es den zuständigen Mitarbeitern des Senders nicht, ihn mit einer der beiden von ihm angegebenen Nummern erneut auf Sendung zu schalten. Nach Rücksprache mit einer Mitarbeiterin von Bayern 2 erhielt er das Angebot, einen schriftlichen Kommentar auf der Seite des Senders zu veröffentlichen.
Obwohl ihm der Eingang seines Kommentars noch am 4. April um 14 Uhr 17 bestätigt wurde, erfolgte sodann keine Freischaltung dieses Kommentars auf der Seite des Senders. Er erhielt auch keine Nachricht, weswegen der Kommentar nicht veröffentlicht worden war. Daher sei der — aus welchen Gründen auch immer von Bayern 2 nicht veröffentlichte — aus dreizehn Punkten bestehende Kommentar zu dieser Sendung nachstehend bekanntgemacht:
Nachtrag vom 5. April 2018: Eine Mitarbeiterin des Senders teilte Prof. Schönberger am späten Vormittag des 5. 4. 2018 fernmündlich mit, daß dessen Kommentar vom 4. April nunmehr — am Vormittag des Folgetages — freigeschaltet worden und somit frei einsehbar sei. Der Sender habe Prof. Schönberger am 4. April 2018 auch im weiteren Verlauf der Sendung zuzuschalten versucht und wisse nicht, aus welchen Gründen die Verbindung unterbrochen worden und bedauerlicherweise keine weitere Verbindung zustande gekommen sei. Sie habe selbst einen der Anrufe von Prof. Schönberger nach dem Zusammenbruch der Verbindung entgegengenommen, es sei — allerdings erfolglos — versucht worden, ihn wieder in die Sendung durchzustellen. Es habe im Interesse des Senders gelegen, ihn nochmals zu Wort kommen zu lassen; man bedauere, daß dies nicht möglich gewesen sei.
1. Die Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung seit dem 27./28. Oktober 2017, durch die Katalonien unter eine diktatorische Zwangsverwaltung Spaniens gestellt wurde, verstößt mindestens gegen Artikel 1, 19 und 25 des Internationalen Pakts vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte, den Spanien vorbehaltlos ratifiziert hat und der in Spanien zwingendes Recht ist. Nach Artikel 10 Abs. 2 und 96 der spanischen Verfassung ist das spanische Recht im Lichte der Menschenrechtspakte auszulegen. Die Proklamation der unabhängigen Republik Katalonien, die zu ihrer völkerrechtlichen Gültigkeit keineswegs der Anerkennung anderer Staaten bedarf, erfolgte im übrigen erst nach dem Beschluß des spanischen Senats über die Anwendung des Artikels 155 auf Katalonien und kann somit nicht als Begründung für dessen Anwendung herhalten.
2. Spaniens Vorgehen, eine demokratisch, gesetzeskonform gewählte Regierung entgegen einschlägigem spanischen Recht (insbesondere gegen Art. 67 Abs. 7 des organischen Gesetzes 6/2006 vom 19. Juli 2006, aber auch gegen andere Artikel dieses verfassungserweiternden Gesetzes, das in der spanischen Verfassung von 1978 verankert ist) abzusetzen, ein demokratisch gewähltes Parlament, das im Rahmen des spanischen Rechtes und der Menschenrechte handelte, aufzulösen und gesetzwidrigerweise — ohne hierzu nach spanischem Recht berechtigt zu sein — Neuwahlen für Katalonien auszuschreiben, ist ein unerhörter Bruch der spanischen Rechtsordnung, der in rechtlicher Hinsicht ein Staatsstreich von oben ist.
3. Es handelt sich bei dem Vorgehen der spanischen Regierung in Katalonien um die größten Menschenrechtsverletzungen in Europa seit Jahrzehnten. UN-Sonderberichterstatter für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, Prof. Dr. Alfred de Zayas, hat dies bereits dem Generalsekretär der Vereinten Nationen in Schriftform berichtet und die Europäische Union mehrfach aufgefordert, gegen die massive Verletzung der Europäischen Rechtsordnung — namentlich der in Artikel 2 des EU-Vertrags niedergelegten Grundwerte der Union — die entsprechenden Schritte gegen Spanien einzuleiten. Spanien benimmt sich, als ob die Katalanen «Untermenschen» wären, die keinen vollgültigen Anspruch auf ihre Menschenrechte hätten. Und die Europäische Union schaut dabei zu.
4. Die menschenunwürdige Weise, in der der katalanische Vizepräsident Dr. Oriol Junqueras nach seiner Verhaftung auf dem Weg ins Gefängnis von dem Wachpersonal behandelt wurde und die nach allem, was bisher darüber bekannt wurde, unter den Begriff der «Folter» zu fallen scheint, ist hierzulande bislang noch nicht Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit gewesen.
5. Artikel 33 Abs. 1 der für Deutschland bindenden Genfer Flüchtlingskonvention verbietet Deutschland die Auslieferung des katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont, der von Spanien eindeutig wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt wird, an ein Land, in dem ihm u. a. Freiheitsentzug droht. Einschlägig ist des weiteren Artikel 7 des Gesetzes zu dem Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte vom 15. November 1973, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Z 1998 A, ausgegeben zu Bonn am 20. November 1973. Das letzte Wort hierzu wird wohl das Bundesverfassungsgericht haben. Eine sorgfältige Einzelfallprüfung ist zwingend erforderlich.
6. Eine dreistellige Zahl spanischer Lehrstuhlinhaber für Strafrecht und eine vierstellige Zahl spanischer Juristen hat die schwerwiegenden Verstöße gegen spanisches Recht, spanisches Strafrecht und die spanische Strafprozeßordnung gerügt, die seitens der spanischen Justiz mit dem erkennbaren politischen Ziel, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung zu «enthaupten», vorgenommen wurden und werden. Es wurde sogar die Zuständigkeit der spanischen Gerichte übergangen, um Richter entscheiden zu lassen, die der spanischen Regierung erkennbar nahestehen. Spanische Juristen haben in großer Zahl darauf hingewiesen, daß gegen den katalanischen Präsidenten und seine Minister sowie gegen die Repräsentanten der katalanischen Zivilgesellschaft noch nicht einmal wegen «sedición» — eines der Rebellion untergeordneten Delikts — ermittelt werden dürfe, da die Voraussetzung dafür nicht gegeben waren und die Katalanen insbesondere immer gewaltfrei vorgingen und zur Gewaltfreiheit aufriefen.
7. Das spanische Verfassungsgericht agiert seit mindestens dem Jahr 2010 als politischer Akteur und ist mit dem deutschen Verfassungsgericht nicht vergleichbar. Es hat faktisch legislative Gewalt und setzt auch mögliche Strafen für hypothetische Vergehen, die so nicht im Strafgesetzbuch geregelt sind, fest. Es agiert derzeit höchst politisch, um die Mehrheit des katalanischen Parlaments davon abzuhalten, einen Präsidenten nach dem Willen der demokratischen Mehrheit zu wählen. Gleichzeitig hat es eine Verfassungsbeschwerde der Katalanen gegen die Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung nicht angenommen und eine weitere Verfassungsbeschwerde einer gesamtspanischen Partei zwar angenommen, aber solange zurückgestellt, wie eben dieser Artikel 155 noch angewandt wird, was einem uneingeschränkten Freibrief für die Regierung gleichkommt. Es ist mit dem Bundesverfassungsgericht hinsichtlich seiner parteiischen Rechtsprechung der letzten Jahre nicht zu vergleichen. Man darf sich von der Bezeichnung «Verfassungsgericht» nicht täuschen lassen!
8. Nachdem die ultrakonservative spanische Partei Partido Popular mit Hilfe des spanischen Verfassungsgerichts ein von allen Seiten ausgehandeltes Autonomiestatut Kataloniens unter Verstoß gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte im Jahr 2010 durch einen Verfassungsgerichtsbeschluß weitgehend ausgehebelt und in der Folge die Selbstbestimmung Kataloniens durch Annullierung fast aller wesentlichen Gesetzesvorlagen faktisch negiert hatte, entstand erst dadurch in Katalonien eine große Unabhängigkeitsbewegung, welche unter Inanspruchnahme des Menschenrechts auf Selbstbestimmung für eine staatliche Souveränität Kataloniens eintrat.
9. Menschenrechte sind universell, unteilbar und unveräußerlich. Wer etwa der Meinung ist, daß man den Katalanen ihr garantiertes Menschenrecht auf Selbstbestimmung, das unwiderruflich und uneinschränkbar das Recht der Entscheidung auch über eine einseitige Abspaltung von Spanien — über die wohlgemerkt nur das katalanische Volk und nicht etwa alle Spanier zu beschließen hat — einschließt, verweigern dürfe, weil er etwa gegen «Kleinstaaterei» sei, stellt sich außerhalb der Rechtsordnung Spaniens, Deutschlands und auch der Europäischen Union sowie des Völkerrechts. Weder darf noch kann die spanische Verfassung Menschenrechte einschränken oder versagen. Das Recht auf Unversehrtheit des nationalen Territoriums ist nach dem Völkerrecht nur gegen einen Angriff von außen gerichtet. Das Menschenrecht auf Selbstbestimmung eines jeden Volkes hat demgegenüber immer Vorrang. Die Katalanen sind unzweifelhaft ein Volk, dem das kollektive Menschenrecht auf Selbstbestimmung unentziehbar und uneingeschränkt jederzeit zukommt.
10. Das in Deutschland weitgehend unbekannte Übergangsgesetz, das Anfang September 2017 vom katalanischen Parlament verabschiedet wurde, enthält umfangreiche Rechtsgarantien für alle europäischen Bürger. Katalonien hat sich darin verpflichtet, als neue Republik das europäische Recht anzuerkennen und allen EU-Bürgern Freizügigkeit zu gewähren. Es öffnet des weiteren allen Einwohnern die Möglichkeit, neben der katalanischen Nationalität auch die spanische Staatsbürgerschaft zu behalten oder zu erwerben. Niemand braucht vor der Republik Katalonien Angst zu haben.
11. Katalanischen Presseberichten des letzten Jahres zufolge sei das Referendum vom 1. Oktober 2017 vollständig aus privaten Mitteln bezahlt worden, da für eine unverbindliche Volksbefragung über die politische Zukunft Kataloniens vom November 2014, die das katalanische Parlament beschlossen hatte, der damalige katalanische Präsident Artur Mas vor einem spanischen Gericht angeklagt und zur Zahlung der gesamten Kosten (in Millionenhöhe) aus privaten Mitteln verurteilt wurde. Vergleichbares wollte man dieses Mal offenbar vermeiden. Auch die Verurteilung des ehemaligen katalanischen Präsidenten Artur Mas stellte einen eindeutigen Menschenrechtsverstoß Spaniens dar. Die spanische Behauptung, daß für das Referendum am 1. Oktober 2017 öffentliche Mittel in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro aufgewandt worden seien, ist bislang noch nicht erwiesen. Es mag sein, daß entsprechende Kosten entstanden; die Frage ist jedoch, aus welchen Geldern diese beglichen wurden, zumal Katalonien ja bereits im Vorfeld des Referendums unter finanzieller Zwangsverwaltung Spaniens stand und die spanische Regierung die Finanzen Kataloniens vollständig kontrollierte. Aber selbst wenn es so wäre, handelte es sich um einen Parlamentsbeschluß des katalanischen Parlaments, den man nicht dem katalanischen Präsidenten in strafrechtlicher Sicht als «Veruntreuung öffentlicher Gelder» anlasten könnte. Allein der Versuch ist bereits ein Menschenrechtsverstoß. Aufgrund der Menschenrechtspakte und des Völkerrechts war Katalonien im übrigen zur Abhaltung eines solchen Referendums befugt. Der Beschluß des spanischen Verfassungsgerichts, ein derartiges Referendum zu untersagen, war auch innerhalb der spanischen Rechtsordnung eindeutig rechtswidrig, da er gegen das zwingende Recht der Menschenrechtspakte verstieß.
12. Die spanische Monarchie kann seit dem 27./28. Oktober 2017 nicht mehr als Demokratie bezeichnet werden. Die Gewaltenteilung ist faktisch aufgehoben. Es werden prominente Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft aufgrund ihrer politischen Überzeugungen in einer Weise, die keineswegs rechtsstaatlich genannt werden kann, verfolgt.
13. Wer das derzeitige Spanien als demokratischen Rechtsstaat bezeichnet, muß sich die Frage gefallen lassen, ob er auch das nationalsozialistische Deutschland der Jahre 1933-1938 als solchen bezeichnet hätte. Wer die massiven Menschenrechtsverletzungen in Spanien ignoriert, hat nichts, aber auch gar nichts aus der deutschen Vergangenheit gelernt.
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