Solidarität mit Katalonien – für das Recht auf friedliche Selbstbestimmung! Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht verwirft neuen Antrag des spanischen Richters Llarena.

Proteste lassen sich nicht aufhalten: Prof. Dr. Axel Schönberger Deutschland. In seinem Beschluß vom 22. Mai 2018 hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht den Antrag der Staatsanwaltschaft, im Falle des legitimen 130. Präsidenten der Generalitat de Catalunya, Carles Puigdemont, den Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 5. April 2018 neu zu fassen und den Vollzug der Auslieferungshaft anzuordnen, unter Verzicht auf eine Anhörung des katalanischen Präsidenten und seiner Rechtsanwälte zurückgewiesen.

Die Formulierung, daß «aus Sicht des Senats […] im Laufe des bisherigen Verfahrens weder hinsichtlich der Tatsachengrundlage noch hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der Vorgänge eine signifikante Veränderung eingetreten» sei, «die den Senat zur Abweichung von seiner im Beschluss vom 5. April 2018 niedergelegten Auffassung nötigte», ist eine juristische Ohrfeige für den spanischen Richter Pablo Llarena, der einen neuen, umfangreichen Schriftsatz sowie seiner Meinung nach ausreichendes «Beweismaterial» vorgelegt hatte.

Wende man die Grundsätze deutschen Rechts an, so habe sich der 130. Präsident Kataloniens auch nicht des Landfriedensbruchs strafbar gemacht. Eine weitere Spitze gegen Spanien liegt in der richterlichen Formulierung «wobei zusätzlich Blockadehandlungen und Behinderungen wohl nicht initiativ von den wahlwilligen Anhängern des Verfolgten ausgingen.» So ist es. Gewalt wurde initiativ und fast ausschließlich seitens der Repräsentanten des spanischen Staates verübt, die damit gegen spanisches Recht und das zwingende Recht der internationalen Verträge, den sich Spanien unterworfen hat, verstießen und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begingen, die an sich nach spanischem Recht geahndet werden müßten.

Allerdings geht der Senat noch davon aus, daß — «trotz des widersprüchlichen Inhalts des von den spanischen Behörden nachgelieferten Materials» — der gleichfalls gegen den katalanischen Präsidenten erhobene Vorwurf der Untreue als Katalogstraftat gemäß dem Rahmenbeschluß zum Europäischen Haftbefehl weiterhin «eine taugliche Grundlage des anhängigen Auslieferungsverfahrens» sei, macht aber auch mit dem Konzessivsatz «auch wenn nach deutschem Recht mittlerweile eine Tatverdachtsprüfung einen eher zweifelhaften Ausgang haben könnte» seine Zweifel an der Rechtsauffassung der spanischen Behörden und der fraglichen Qualität des gelieferten «Beweismaterials» deutlich.

Nicht behandelt wurden jedoch vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht bisher zwei Fragen, die nach Meinung des UN-Experten Prof. Dr. Alfred de Zayas vorliegend relevant sind:

1. Die Frage, ob Deutschland entgegen der Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund eines Europäischen Haftbefehls eine Auslieferung von jemandem vornehmen darf, der wegen seiner politischen Überzeugungen verfolgt und mit Freiheitsentzug bedroht wird. Gemäß der auf den katalanischen Präsidenten in vollem Umfang anzuwendenden Genfer Flüchtlingskonvention und gemäß den Artikeln 26 und 27 des von Deutschland ratifizierten Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV) darf Deutschland nach Rechtsauffassung der Vereinten Nationen weder eine interne noch eine europäische Norm (wie etwa den Rahmenbeschluß zum Europäischen Haftbefehl) geltend machen, um seine Verpflichtungen, die sich aus den von ihm ratifizierten internationalen Verträgen ergeben, nicht zu erfüllen. Das zwingende Recht internationaler Verträge hat somit Vorrang vor dem europäischen Rahmenbeschluß zum europäischen Haftbefehl. Daß die Genfer Flüchtlingskonvention auf den politisch verfolgten legitimen katalanischen Präsidenten sowie die im Exil befindlichen Minister seiner Regierung anzuwenden ist, dürfte außer Frage stehen.

2. Der unabhängige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung sei auszugsweise in deutscher Übersetzung zitiert:

«2. EMPFEHLUNG: Es zu unterlassen, die friedliche und demokratische Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung des katalanischen Volkes zu kriminalisieren.

Die Kriminalisierung der friedlichen und demokratischen Ausübung eines grundlegenden Menschenrechts, wie es das Recht auf Selbstbestimmung ist, sollte unter den fortschrittlichen Demokratien des 21. Jahrhunderts nicht vorkommen.

Deswegen wird allen Seiten ebenso wie jedem Organ, jeder Einrichtung und jedem Staatsbediensteten empfohlen, es zu unterlassen, staatliche Handlungen oder Beschlüsse auszuführen, seien sie administrativer oder rechtlicher Art, deren Ziel oder Folge darin besteht, Akte der friedlichen und demokratischen Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung des katalanischen Volkes zu kriminalisieren. Tatsächlich wären derartige Handlungen oder Beschlüsse als sehr schwere Verletzungen eines grundlegenden Menschenrechts einzustufen, das durch die Charta der Vereinten Nationen, durch die Internationalen Pakte und durch die spanische Verfassung geschützt ist, und sie wären normalerweise rechtlich nichtig.

Es wird gleichfalls empfohlen, Staatsbediensteten (auf staatlicher, regionaler oder kommunaler Ebene) keine Anweisungen zur Ausführung solcher Handlungen oder Beschlüsse zu geben und, falls eine derartige Anweisung ergeht, ihnen angesichts der Möglichkeit einer schweren Verletzung von Menschenrechten das Recht zur Verweigerung aus Gewissensgründen zuzubilligen.»

Eine deutsche Übersetzung der ausführlichen Handlungsanweisungen des unabhängigen Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, die im Falle des legitimen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont auch deutsche Richter, Staatsanwälte und Polizisten betreffen, kann in zwei Teilen nachgelesen werden. Teil 1: Teil 2:

In der deutschen Politik scheint man die Brisanz dieses Textes von Prof. Dr. Alfred de Zayas, der der Bundeskanzlerin und der Justizministerin Deutschlands bereits seit Wochen vorliegt, bislang immer noch nicht verstanden zu haben. Nach Rechtsauffassung des UN-Experten, eines international renommierten Völkerrechtlers, hat nicht etwa die katalanische Regierung und ihr Präsident Carles Puigdemont, sondern vielmehr die spanische Regierung und der spanische Senat in der Katalonien-Frage die spanische Verfassung gebrochen! Die sachlich falsche Behauptung der spanischen Regierung, daß den Katalanen ein Verfassungsbruch vorzuwerfen sei, wird auch durch ständige stupide Wiederholung nicht wahr und erst recht nicht zu einem Straftatbestand. Deutsche Politiker und Journalisten wären gut beraten, vorstehenden Text des UN-Experten in allen Einzelheiten zur Kenntnis zu nehmen und die Tragweite seines Inhalts zu verstehen. Derzeit übernehmen deutsche Medien meist unkritisch und einseitig die — nach Auffassung des UN-Experten juristisch falsche — Sichtweise der spanischen Regierung, anstatt unparteiisch und objektiv zu berichten, wie es an sich ihrem Auftrag entspräche.

Es steht zu hoffen, daß die deutsche Justiz in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht der Verträge und dem zwingenden Recht der Vereinten Nationen den Beschluß fassen wird, den 130. Präsidenten der Generalitat de Catalunya nicht nach Spanien auszuliefern. Vollständiger Beschluss des I. Strafsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 22. Mai 2018.

Diesen Artikel bewerten
5 von 5 Sternen bei 2 Stimme(n).
Weitere Artikel aus der Kategorie

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.

Verwendung von Cookies: Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Ok Mehr Informationen

Cookies