Schwarzbraun ist die Haselnuss – Stasi und der Rechtsextremismus – Deutsches Erbe verbreitet sich über EUROPA aus? – Braune Flecken auch in Oberösterreich!

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Die Aushebung eines kriminellen Neonazi-Netzwerks in Oberösterreich hat ein Schlaglicht auf die starke rechte Szene in diesem Bundesland geworfen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Eine Rolle spielt auch die Freiheitliche Partei. Raubüberfälle, Einbruchdiebstähle, Körperverletzung, Drogenhandel und zwei Brandanschläge auf Bordelle – die Liste der Delikte, die den Verdächtigen eines Ende Januar ausgehobenen kriminellen Netzwerks in Oberösterreich zur Last gelegt werden, ist lang. Die Bande soll einen Schaden von mindestens 3,5 Millionen Euro verursacht haben, und bei Hausdurchsuchungen wurden zehn Kilogramm Sprengstoff und illegale Schusswaffen samt Munition sichergestellt. 24 Personen werden vorübergehend festgenommen, 6 befinden sich nach wie vor in Untersuchungshaft. Mehrere Verdächtige gehörten dem rechtsextremen «Objekt 21» an, einer als Kulturverein getarnten Gruppierung, die sich in einem alten Bauernhaus im oberösterreichischen Bezirk Vöcklabruck eingemietet hatte. NZZ Wieviele RECHTE sind in Deutschland wo und wie, getarnt? NSU ist und war nicht die einzigste Tarnung! Das geplante 4. Reich? Beobachten die Beobachter auch sich selbst? Merkel und die DDR Mail Wikipedia Merkel Merkel2 Post

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(NZZ)

Jahrelang passiert nichts: Dies machte aus einem Kriminalfall auch eine politische Affäre, denn das Unwesen, das die Neonazis dort trieben, machten Medien bereits im Frühling 2010 bekannt. Bilder wurden publiziert vom Wappen des Vereins, das in die deutsche Reichskriegsflagge eingefügt ist, vom Treffen glatzköpfiger Männer im Haus, die T-Shirts tragen mit der Aufschrift «University of Auschwitz» oder Tätowierungen des Reichsadlers, germanische Runen verzieren die Wände. Veranstaltet wurden unter anderem Konzerte, zu denen auch Neonazis aus Bayern und Thüringen anreisten. Bis zu 200 Personen fanden sich an solchen Abenden in Vöcklabruck ein – laut einem seit Jahren in der rechten Szene recherchierenden Journalisten, der nicht genannt werden will, das «Who is who» der süddeutschen und österreichischen Neonaziszene.

Im Sommer 2010 führte das oberösterreichische Landesamt für Verfassungsschutz eine erste Hausdurchsuchung durch. Die Auswertung des beschlagnahmten Materials ergab eine «eindeutig rechtsextreme Gesinnung» von «Objekt 21», dessen harter Kern aus rund 30 Personen bestand, und im Februar 2011 wurde der Verein offiziell aufgelöst. Gegen mehrere Personen wird wegen Verstosses gegen das Verbotsgesetz ermittelt, das alle nationalsozialistischen Organisationen sowie die Betätigung im nationalsozialistischen Sinn (Wiederbetätigung) in Österreich verbietet und unter Strafe stellt.

Doch dann geschah ausser einigen Razzien und häufigen Verkehrskontrollen in der Umgebung des Bauernhofs lange nichts. Es dauerte fast zwei Jahre, bis es Ende 2012 zu Verhaftungen und im letzten Januar schliesslich zur Zerschlagung des Netzwerks kam. In diese Zeit fallen einige der schwersten Delikte, die der Gruppierung vorgeworfen werden. Gegen die Behörden wurde die schwere Anschuldigung erhoben, auf dem rechten Auge blind zu sein. Mitglieder von «Objekt 21» seien mit lokalen Polizisten befreundet gewesen, vor Hausdurchsuchungen seien die Neonazis gewarnt worden, und die Justiz habe die Verfahren verschlampt.

Eine Hochburg: Für Robert Eiter vom Oberösterreichischen Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus haben Verfassungsschutz, Polizei und Strafjustiz schlicht versagt. Im Gespräch wirft der Jurist gerade lokalen Polizeibeamten vor, häufig mit rechter Gesinnung zu sympathisieren. Zudem seien Verfahren, die Verstösse gegen das Verbotsgesetz zum Gegenstand hätten, aufwendig und im medialen Scheinwerferlicht, was die dafür zuständigen Geschworenengerichte überfordere. Die Folge seien Verschleppung oder auffällig milde Urteile.

Der ehemalige Kriminalbeamte Uwe Sailer beobachtet die rechtsextreme Szene Oberösterreichs als Datenforensiker seit Jahren, insbesondere im Internet. Er unterstellt zwei der drei bis vor kurzem für Rechtsextremismus zuständigen oberösterreichischen Verfassungsschützer, Nähe zur Szene zu haben. Als im Falle von «Objekt 21» längst Bilder von verbotenen Symbolen kursierten, habe der Verfassungsschutz noch behauptet, es werde gegen kein Gesetz verstossen und ihm seien die Hände gebunden. Sailer geht aber noch weiter. Er kritisiert auch ein verharmlosendes Verhalten des Landeshauptmanns Josef Pühringer von der bürgerlichen Volkspartei ÖVP, der aufgrund der aktiven neonazistischen Kreise um den Ruf Oberösterreichs besorgt ist und öffentlich sagte, Ermittlungen der Polizei dürften nicht zur Folge haben, dass Oberösterreich als «Naziland» verunglimpft werde.

Es ist jedoch kaum bestritten, dass Oberösterreich im landesweiten Vergleich eine Hochburg der rechtsextremen Szene ist. Schmierereien an der Gedenkstätte des KZ Mauthausen, Anschläge auf von Migranten bewohnte Häuser und Morddrohungen: Immer wieder sorgten Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund in Oberösterreich für negative Schlagzeilen. Die Zahl rechtsextremistisch, fremdenfeindlich oder antisemitisch motivierter Delikte hat in Österreich in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Der Verfassungsschutzbericht des Innenministeriums weist für die Jahre 2005 bis 2011 eine Verdoppelung der entsprechenden Anzeigen aus, wobei seit 2008 eine Stagnation auf sehr hohem Niveau verzeichnet wird. Dabei wurden von den 1056 Straftaten, die in Österreich in den Jahren 2010 und 2011 begangen wurden, 171 in Oberösterreich registriert.

Netzwerke in der Grenzregion: Die Gründe dafür, warum das braune Gedankengut gerade in Oberösterreich einen fruchtbaren Boden findet, sind vielfältig. Genannt wird immer die Nähe zu Bayern. In der Grenzregion sind laut den Sicherheitsbehörden mehrere rechtsextreme Netzwerke aktiv, und die Verflechtungen sind traditionell eng, zumal die Grenze für die deutschnationale Szene beider Länder aus ideologischen Gründen gar nicht existiert. Dazu kommt, dass die deutschen Behörden im Passauer Raum seit dem Jahr 2000 deutlich repressiver gegen Neonazis vorgingen und diese beispielsweise für die Veranstaltung von Konzerten vermehrt über die Grenze auswichen, wie Eiter erklärt.

Er führt aber auch historische Gründe an. Die Gegenreformation habe in Oberösterreich besonders stark gewütet und damit zu einer starken Ablehnung sowohl der katholischen Kirche als auch des Wiener Zentralismus zur Zeit der Habsburgermonarchie in der Region geführt. Deshalb habe der deutschnationale Liberalismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts sich hier als Gegenbewegung etablieren können. Gegen Ende des Jahrhunderts entfernte sich diese aber immer mehr von ihren liberalen Wurzeln und entwickelte sich zu einer antisemitischen und chauvinistischen Ideologie, die in den neu gegründeten Turnvereinen und Burschenschaften eine wichtige Rolle spielte.

Zur Zeit des Nationalsozialismus erhielt Oberösterreich – damals Reichsgau Oberdonau – als «Heimatgau des Führers» (vgl. Kasten) eine besondere Stellung. Die Hauptstadt Linz sollte als «Deutsches Budapest» zur neuen Donaumetropole werden, zudem wurde die Region zu einem Zentrum der Schwer- und Rüstungsindustrie ausgebaut. Das schuf Arbeitsplätze und Sympathien in der Bevölkerung. Ab 1945 und mit dem Vormarsch der Roten Armee setzte dann eine innerösterreichische Fluchtbewegung ein, die eine Ansiedlung von deutschnationalen sowie sudetendeutschen Familien im Innviertel, im Salzkammergut und in der Region Wels zur Folge hatte, wie Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) erklärt. Dieses Gedankengut sei in den Familien weitergegeben worden und bilde den Hintergrund der noch heute hohen Zustimmung für die Freiheitliche Partei (FPÖ) in diesen Gegenden.

Der rechte Rand der FPÖ: Im Jahr 1955 klar erkennbar als Nachfolgepartei der Nationalsozialisten gegründet, bildete die FPÖ jahrzehntelang das Sammelbecken für das deutschnationale «Dritte Lager». Seit den achtziger Jahren hat die Partei auch einen gemässigten, liberalen Flügel, und es kam deshalb immer wieder zu Abspaltungen. Nach der letzten – der Gründung des Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ) durch Jörg Haider – ist die Partei wieder ideologischer geworden. Rechte Burschenschaften haben einen unverhältnismässig starken Einfluss, wie der Journalist und Rechtsextremismus-Experte Hans-Henning Scharsach in einem vor einigen Monaten erschienenen Buch detailreich darlegt.

Selbst innerhalb der FPÖ politisieren die oberösterreichische Landespartei und vor allem die Linzer FPÖ am äussersten rechten Rand, wie Eiter und Sailer übereinstimmend erklären. Allein im laufenden Jahr mussten bereits vier oberösterreichische Parteimitglieder wegen rechtsextremer Aktivitäten zurücktreten. Prominentester Fall war Mitte April der Fraktionschef im Linzer Gemeinderat, Sebastian Ortner. Zum Verhängnis wurden ihm die Teilnahme an einem Fest der rechtsextremen deutschen NPD 2006 sowie ein Video, das ihn 1988 bei gemeinsamen Wehrsportübungen mit Gottfried Küssel zeigt, Österreichs prominentestem Neonazi, der im Januar erneut zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde.

Heikle Gratwanderung: Viele der Freiheitlichen in Oberösterreich gehören der deutschnationalen Burschenschaft Arminia Czernowitz an, unter ihnen auch der Linzer Parteichef Detlef Wimmer, der Mitglied der Stadtregierung ist. Sailer wirft diesem vor, 2011 in Kontakt mit den Betreibern der Neonazi-Homepage alpen-donau.info gestanden zu sein. Er könne dies auch beweisen. Die von Küssel initiierte und aus den USA betriebene Website galt von 2009 bis zu ihrer behördlich verfügten Abschaltung im Jahr 2011 als Sprachrohr der rechtsextremen Szene in Österreich. Wimmer bestreitet jede Verbindung und lehnt einen Rücktritt ab.

Auch Eiter bezeichnet Wimmer als rechtsextrem und als einen der Parteivertreter, die den rechten Rand gestärkt haben. Die FPÖ sei in Oberösterreich keine rechtspopulistische, sondern eine rechtsextreme Partei, die gemässigte Wähler vergraule. Er ist überzeugt, dass der Grund für die Stärke der rechtsextremen Szene die enge Verflechtung mit der FPÖ und den Burschenschaften ist. Diese Meinung vertreten auch Sailer und Scharsach. Tatsache ist, dass die Gratwanderung zwischen der Deutschtümelei der Burschenschaften und dem Willen, sich als gemässigte Koalitionspartnerin für Regierungsarbeit zu empfehlen, für die Partei schwierig ist – nicht nur in Oberösterreich. Auch in Wien und Salzburg machten in letzter Zeit Parteiexponenten fragwürdige Äusserungen, und der Chef der Bundespartei, Heinz-Christian Strache, der in der Vergangenheit ebenfalls im rechtsradikalen Milieu verkehrt hatte, musste sich wegen einer missverständlichen Karikatur auf seiner Facebook-Seite rechtfertigen.

Braunaus schwieriges Erbe: Etwa dreihundert Personen haben sich in Braunau eingefunden, um mit Transparenten, Musik und Sprechchören gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Begleitet wird die Kundgebung von fast ebenso vielen Polizisten, nachdem es im Jahr zuvor zu Zusammenstössen mit Neonazis gekommen war. Der Anlass lockt Schaulustige an die Fenster und den Strassenrand, auch wenn er inzwischen zum Ritual geworden ist. Jedes Jahr am Geburtstag Adolf Hitlers versammeln sich Aktivisten vor dem Haus im Zentrum von Braunau, in dem der Diktator 1889 geboren wurde. Sie wollen so verhindern, dass der unrühmliche Jahrestag von Rechtsradikalen missbraucht wird.

Auch wenn Hitler nur seine ersten drei Lebensjahre in dem Haus verbrachte, ist die Kleinstadt im oberösterreichischen Innviertel wohl auf ewig mit seinem Namen verbunden, und entsprechend schwer tut sie sich mit diesem Erbe. Seit ein paar Jahren erinnert ein Gedenkstein vor dem Haus an die Opfer der Diktatur, selbst dies erst nach jahrelangen Debatten. Das renovationsbedürftige Gebäude steht leer, nachdem eine Behindertenwerkstätte vor zwei Jahren ausgezogen ist, weil die Eigentümerin notwendige Umbauarbeiten verweigerte. Im Besitz von deren Familie ist das Haus bereits seit 1912, mit Ausnahme der Jahre 1938 bis 1952. Die Nationalsozialisten hatten es aus Propaganda-Gründen einst gekauft, um ein Kulturzentrum daraus zu machen.

Nach dem Krieg kaufte die Familie der heutigen Eigentümerin das Haus zurück. Aufgrund seiner belasteten Geschichte ist bereits seit 1972 das österreichische Innenministerium Hauptmieter des Eckhauses. Eine Bank und eine Schule beherbergte es vorübergehend. Doch wie es weitergehen soll, weiss niemand. Braunaus Bürgermeister sorgte im letzten Jahr für Empörung und weltweites Medienecho, weil er in dem Haus Wohnungen errichten wollte. Die Idee eines russischen Politikers, es zu kaufen und abreissen zu lassen, war ebenso unpraktikabel, weil das aus dem 17. Jahrhundert stammende Gebäude unter Denkmalschutz steht.

Seit Jahren liegt das Projekt eines Historikers auf dem Tisch, der ein «Haus der Verantwortung» als Begegnungsstätte für junge Menschen und als Ausstellungsort vorschlägt. Und im Januar wurden Pläne der Gemeinde Braunau bekannt, wonach die Volkshilfe einziehen und ein Integrationsbüro betreiben sollte. Die Kommunikation mit der Eigentümerin aber ist laut Medienberichten für alle Beteiligten schwierig, und für grössere Umbauarbeiten braucht es ihr Einverständnis. Vorläufig ist deshalb kein Ende der Debatte um das Haus mit der Adresse Salzburger Vorstadt 15 in Sicht.

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