BND an die Kette! Privatsphäre ist ein Menschenrecht! Drei UN-Sonderberichterstatter kritisieren geplante BND-Reform!
Amnesty und ROG fordern: Als der Whistleblower Edward Snowden 2013 enthüllte, dass die „Five Eyes Staaten“ weltweit massenhaft unsere Kommunikation überwachen, war die Empörung auch in Deutschland groß. Zu Recht: Anlasslose Massenüberwachung verletzt das Menschenrecht auf Privatsphäre. Sie stellt uns alle unter Generalverdacht, statt Kräfte dort zu bündeln, wo es tatsächlich einen konkreten Verdacht gibt. Der deutsche Bundestag richtete einen Untersuchungsausschuss ein, um die enthüllte Spionage aufzuklären. Dabei kam heraus: Auch der BND hat eng mit der NSA zusammengearbeitet. Er hat Kommunikation im Ausland nahezu schrankenlos überwacht, auch wenn es keinen Verdacht gab. Auch Menschenrechtsorganisationen gehörten zu seinen Zielen. Das soll nun legalisiert werden. Unterzeichnen Sie die Online-Petition.
Auch sonst liest sich der Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD fast wie eine „Geheimdienst-Wunschliste“. Statt wie bisher nur einzelne Kabel- oder Funkverbindungen abhören zu dürfen, darf der BND künftig gleich ganze Telekommunikationsnetze überwachen. Dabei gibt es keine Kapazitätsbeschränkung, es dürfen also 100 Prozent des Datenstroms abgegriffen werden. „Full Take“ nennt sich das in der Sprache der Geheimdienste. Wer fürchten muss, anlasslos überwacht zu werden, traut sich oft nicht, seine Rechte wahrzunehmen. Wer weiß, dass Informationen über seine Anrufe, E-Mails und Aufenthaltsorte gespeichert werden, überlegt sich vielleicht dreimal, ob er wirklich die HIV-Beratungsstelle anruft, jede Woche zum Gewerkschaftstreffen geht oder per Telefonkette eine Demonstration organisiert. Deshalb stehen mit der Privatsphäre gleichzeitig weitere Menschenrechte auf dem Spiel.
Fordern Sie CDU/CSU und SPD auf, ihren Gesetzesentwurf zu überarbeiten. Der BND soll endlich eine umfassendere Rechtsgrundlage für sein Handeln bekommen. Doch das neue Gesetz muss menschenrechtlichen Standards genügen! Werden Sie aktiv! Setzen Sie sich für das Recht auf Privatsphäre ein und fordern Sie die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf, das BND-Gesetz so zu überarbeiten, dass es nicht zu Missbrauch und anlassloser Überwachung kommt!
Lesen Sie hier den vollständigen Petitionstext: Sehr geehrter Herr Kauder, sehr geehrter Herr Oppermann, sehr geehrte Abgeordnete der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) endlich eine umfassendere Rechtsgrundlage bekommen soll, ist sehr zu begrüßen. Zu lange hat der BND ein Eigenleben geführt und die Ausland-Ausland-Überwachung im nahezu rechtsfreien Raum stattgefunden. Stellenweise liest sich der Gesetzentwurf jedoch wie eine „BND-Wunschliste“. Die Anlässe für die Überwachung reiner Auslandskommunikation sind so unklar und weit formuliert, dass dem BND nahezu alles erlaubt scheint. Zwar werden Deutsche nun besser geschützt und auch für EU-Bürgerinnen und -Bürger gibt es einige Verbesserungen. Doch alle anderen bleiben weitgehend schutzlos. Datenerhebung, die im Ausland stattfindet, bleibt unreguliert. Der Gesetzentwurf autorisiert den BND zum Abhören ganzer Telekommunikationsnetze; gleichzeitig fehlt es an einer Kapazitätsbeschränkung. All das erlaubt dem BND letztlich Massenüberwachung nach dem Vorbild der NSA. Massenüberwachung ist jedoch unverhältnismäßig und verletzt die Menschenrechte auf Privatsphäre und Meinungsfreiheit.
Daher fordere ich Sie auf:
– vage Gummiparagraphen zu den Überwachungsanlässen so zu konkretisieren, dass es nicht zu Missbrauch und anlassloser Massenüberwachung kommt,
– eine umfassende, unabhängige Kontrolle aller Überwachungsmaßnahmen und des internationalen Datenaustausches zwischen Geheimdiensten sicherzustellen,
– keine Drei-Klassen-Gesellschaft einzurichten. Menschenrechte gelten für alle, nicht nur für Deutsche oder EU-Bürgerinnen und -Bürger! (Hochachtungsvoll)
Die deutsche Bundesregierung will den Bundesnachrichtendienst (BND) reformieren – und das ist auch gut so. In der Vergangenheit hat der Geheimdienst Telefonate, SMS und E-Mails im Ausland nahezu schrankenlos überwacht. Er hat Menschenrechtsorganisationen, Journalistinnen und Journalisten, Diplomatinnen und Diplomaten, EU-Institutionen und die UN ausspioniert – oft in Kooperation mit der NSA. Allerdings sollen die fragwürdigen und rechtswidrigen Praktiken des BND mit der Reform nicht etwa komplett eingestellt werden. Im Gegenteil: Der von CDU/CSU und SPD eingebrachte Gesetzentwurf sieht vor, menschenrechtswidrige und massenhafte Überwachung im Nachhinein gesetzlich zu legitimieren.
Setzen Sie sich für das Recht auf Privatsphäre ein und fordern Sie die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf, das BND-Gesetz so zu überarbeiten, dass es nicht zu Missbrauch und anlassloser Überwachung kommt! Das neue BND-Gesetz schafft in Wirklichkeit eine Drei-Klassen-Gesellschaft: Zwar sollen Deutsche und in Deutschland lebende Personen stärker vor Eingriffen geschützt werden. Für EU-Bürgerinnen und -Bürger sind immerhin an einigen Stellen Verbesserungen vorgesehen. Alle anderen jedoch bleiben für den deutschen Geheimdienst geradezu vogelfrei. Dabei ist Privatsphäre ein Menschenrecht, das allen zusteht.
Diese massenhafte Überwachung wird durch Gummiparagraphen im Gesetzestext ermöglicht. So gilt eine Überwachungsmaßnahme als gerechtfertigt, wenn damit die „Handlungsfähigkeit“ Deutschlands gewahrt wird oder „sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ gewonnen werden können. Auch Journalistinnen und Journalisten können so problemlos überwacht werden, selbst wenn es keinerlei Verdacht gegen sie gibt. Hochrangige Verfassungsrechtler halten die Drei-Klassen-Gesellschaft für diskriminierend und verfassungswidrig. Hinzu kommt, dass es technisch oft gar nicht möglich ist, Datenströme anhand der Staatsbürgerschaft ihrer Urheberinnen und Urheber zu unterscheiden. In der Praxis sind deshalb auch Deutsche und EU-Bürgerinnern und -Bürger in Gefahr, menschenrechtswidrig ausspioniert zu werden.
Unterzeichnen Sie unsere Online-Petition und erinnern Sie die Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD daran, dass das Recht auf Privatsphäre ein Menschenrecht ist und für alle gilt! Das neue BND-Gesetz muss menschenrechtlichen Standards genügen und seine Anwendung muss durch eine unabhängige Kontrolle überprüft werden. Statt zur Massenüberwachung sollten die Mittel des BND lieber dort eingesetzt werden, wo sie wirklich gebraucht werden: Alle Überwachungsmaßnahmen müssen verhältnismäßig sein und notwendig, um ein legitimes Ziel zu erreichen, wie zum Beispiel die Abwehr eines Verbrechens. Nur so kann der Schutz der Privatsphäre weltweit gewährleistet werden.
Reporter ohne Grenzen: Die geplante Reform des BND-Gesetzes missachtet nach Einschätzung dreier UN-Sonderberichterstatter internationale Menschenrechtsstandards. In einem Schreiben an den deutschen Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf äußern die UN-Vertreter „ernste Bedenken“ gegen die Reformpläne der Bundesregierung. Das neue BND-Gesetz würde in seiner vorgeschlagenen Form „eine Gefahr für die Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit darstellen“.
„Dass gleich drei UN-Sonderberichterstatter den Gesetzentwurf so deutlich kritisieren, zeigt, wie gravierend das geplante BND-Gesetz in Menschenrechte eingreifen würde“, sagte Matthias Spielkamp, Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen. „Nach diesem Weckruf der Vereinten Nationen sollten die Regierungsfraktionen den Entwurf endlich gründlich überarbeiten. Ausländische Journalisten und andere Berufsgeheimnisträger müssen die gleichen Schutzrechte erhalten wie ihre deutschen Kollegen.“
Die drei UN-Sonderberichterstatter David Kaye (Schutz der Meinungsfreiheit), Michel Forst (Situation der Menschenrechtsverteidiger) und Mónica Pinto (Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten) haben der Bundesregierung ihre achtseitige Stellungnahme am vergangenen Montag übersandt ). Darin bitten sie die Bundesregierung um eine Antwort, die sie ebenso wie ihre Einwendungen publik machen wollen. Zudem wurde ein Gutachten mit massiver Kritik der Bundesdatenschutzbeauftragten an der bisherigen Überwachungspraxis des Bundesnachrichtendienstes publik , die durch das neue BND-Gesetz im Kern legalisiert werden soll. Die Stellungnahmen bestätigen die Kritik von Reporter ohne Grenzen (ROG) sowie von weiteren 16 Menschenrechts- und Medienorganisationen. Das Bündnis hat Anfang August eine Petition für die Überarbeitung des BND-Gesetzentwurfs gestartet, die bereits von mehr als 5000 Menschen unterzeichnet worden ist.
JOURNALISTEN ALS „ZIEL VON UNBEGRÜNDETER UND UNVERHÄLTNISMÄSSIGER ÜBERWACHUNG“
Die UN-Experten listen fünf Punkte auf, in denen der Gesetzentwurf gegen internationale Menschenrechtsstandards verstößt. Unter anderem seien die Bedingungen, unter denen der BND Menschen außerhalb Deutschlands überwachen darf, zu vage formuliert und begründeten damit ein „hohes Risiko, dass der BND persönliche Daten ausländischer Bürger und Institutionen sammeln und analysieren wird, denen weder Straftaten noch Fehlverhalten vorgeworfen wird“. Insbesondere die Regelungen zur Massenüberwachung genügten den menschenrechtlichen Maßstäben der Notwendigkeit und Angemessenheit nicht.
Scharf kritisieren die UN-Sonderberichterstatter, dass in dem geplanten Gesetz Schutzrechte für Journalisten fehlen: „Der Gesetzentwurf weckt ernsthafte Bedenken, dass ausländische Journalisten und ihre Informanten Ziel von unbegründeter und unverhältnismäßiger Überwachung werden. Dies bedroht wiederum ihr Recht – und das der Allgemeinheit –, Informationen zu sammeln, zu erhalten und weiterzugeben.“ Ähnliche Bedenken äußern sie bezüglich des Schutzes der Kommunikation zwischen Anwälten und ihren Klienten.
SCHUTZRECHTE DÜRFEN NICHT NACH STAATSANGEHÖRIGKEIT DISKRIMINIEREN
Deutliche Kritik üben die UN-Vertreter auch daran, dass der Gesetzentwurf ausländische Staatsbürger schlechter vor Grundrechtseingriffen schütze als Deutsche. Der Schutz der Meinungsfreiheit gelte gemäß dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unabhängig von der Nationalität und von Grenzen; auch gesetzliche Beschränkungen dieses Rechts dürften nicht nach Staatsangehörigkeit diskriminieren. Ferner werde die Aufsicht über den BND durch das geplante „Unabhängige Kontrollgremium“ internationalen Anforderungen an eine wirksame Kontrolle von Überwachungsmaßnahmen nicht gerecht, weil das Gremium nicht ausreichend ausgestattet sei und seine Mitglieder von der Regierung ernannt würden.
Die Bundesregierung hatte Ende Juni einen Gesetzentwurf zur Reform des deutschen Auslandsgeheimdienstes vorgelegt, der bereits in erster Lesung im Bundestag debattiert worden ist. Am 26. September wird das BND-Gesetz in einer parlamentarischen Anhörung diskutiert, ehe der Bundestag voraussichtlich im Oktober das Gesetz verabschiedet. Die Petition des Bündnisses um ROG für eine Überarbeitung des BND-Gesetzes kann weiterhin unterzeichnet werden. Ende September wollen Vertreter des Bündnisses um ROG die Unterschriften an die Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD übergeben.
WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN: – Stellungnahme der UN-Sonderberichterstatter.
– Internationale Petition gegen die das neue BND-Gesetz: (auch auf Englisch und Französisch verfügbar)
– Rechtliche Stellungnahme von Reporter ohne Grenzen zum Entwurf des BND-Gesetzes.
– Konsolidierte Fassung des geplanten BND-Gesetzes.
– Mehr zum Einsatz von Reporter ohne Grenzen für die Informationsfreiheit im Internet.
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